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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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und Pan­tof­feln. »Al­les ist klar«,
flüs­ter­te er. »Komm rü­ber zu Do­lo­res! Ab­schieds­fei­er für Eva Mo­ser.«
    »Wo­zu? Warum geht
sie nicht? Wo­zu muß sie noch Ab­schied fei­ern?«
    »Wir wol­len ei­ne
Ab­schieds­fei­er. Nicht sie.«
    »Ihr habt doch
schon ei­ne im Ess­zim­mer ge­habt.«
    »Nur um die
Schwes­ter zu täu­schen. Komm, sei kei­ne Trau­er­wei­de!«
    »Ich ha­be kei­ne
Lust.«
    Charles Ney knie­te
an ih­rem Bett nie­der. »Komm, Lil­li­an, Ge­heim­nis aus Mond, Sil­ber und rau­chi­gem
Feu­er! Wenn du hier bleibst, wirst du dich är­gern, al­lein zu sein – wenn
du drü­ben bist, wirst du dich är­gern, hin­ge­kom­men zu sein. Es ist al­so das­sel­be –
komm des­halb!« Er horch­te zum Kor­ri­dor und öff­ne­te die Tür. Man hör­te das
Stap­fen von Krücken. Ei­ne ha­ge­re äl­te­re Frau hin­k­te vor­bei. »Al­le kom­men! Da
ist Strep­to­my­cin-Lil­ly be­reits. Und da kommt Schir­mer mit An­dré.«
    Ein Grau­bart in
ei­nem Kran­ken­stuhl wur­de von ei­nem jun­gen Mann im Charle­ston­schritt
vor­bei­ge­fah­ren. »Du siehst, selbst To­te ste­hen auf, um Fräu­lein Mo­ser ein Ave
Cae­sar, mo­ri­tu­ri te sa­lu­tant dar­zu­brin­gen«, er­klär­te Charles Ney. »Ver­giß
dein rus­si­sches Er­be auf einen Abend, und be­sin­ne dich auf dei­nen hei­te­ren
wal­lo­ni­schen Va­ter. Zieh dich an und komm!«
    »Ich zie­he mich
nicht an. Ich kom­me in Py­ja­mas!«
    »Komm in Py­ja­mas,
aber komm!«
    Do­lo­res Pal­mer wohn­te ein
Stock­werk tiefer als Lil­li­an. Sie leb­te dort seit drei Jah­ren in ei­nem
Ap­par­te­ment, das aus ei­nem Schlaf­zim­mer, ei­nem Wohn­zim­mer und ei­nem Bad
be­stand. Sie be­zahl­te die höchs­te Mie­te des Sa­na­to­ri­ums und nutz­te die
Rück­sicht, die man dar­auf nahm, be­den­ken­los aus.
    »Wir ha­ben zwei
Fla­schen Wod­ka für dich im Ba­de­zim­mer«, sag­te sie zu Lil­li­an. »Wo willst du
sit­zen? Ne­ben der De­bü­tan­tin, die ins ge­sun­de Le­ben wan­dert, oder un­ter den
hek­ti­schen Zu­rück­blei­ben­den? Such dir einen Platz.«
    Lil­li­an sah sich
um. Es war ein Bild, das sie kann­te: Die Lam­pen wa­ren mit Tü­chern ver­hängt, der
Grau­bart be­dien­te das Gram­mo­phon, des­sen Laut­spre­cher mit hin­ein­ge­stopf­ter
Wä­sche ge­dämpft war, und Strep­to­my­cin-Lil­ly saß auf dem Bo­den in ei­ner Ecke,
weil ihr Gleich­ge­wichts­sinn durch die Dro­ge un­si­cher ge­wor­den war und sie
leicht um­fiel. Die an­dern hock­ten her­um in der hal­b­en, et­was künst­li­chen
Bo­he­me­stim­mung über­al­ter­ter Kin­der, die heim­lich zu lan­ge auf­blei­ben. Do­lo­res
Pal­mer trug ein chi­ne­si­sches Ko­stüm, ein lan­ges, un­ten ge­schlitz­tes Kleid. Sie
war von ei­ner tra­gi­schen Schön­heit, die sie selbst nicht emp­fand. Ih­re Lieb­ha­ber
gin­gen dar­an ir­re wie Rei­sen­de an ei­ner Fa­ta Mor­ga­na. Wäh­rend sie sich in
Ex­tra­va­gan­zen er­schöpf­ten, woll­te Do­lo­res ei­gent­lich nichts wei­ter als ein
ein­fa­ches Le­ben füh­ren, Klein­bür­ger­lich­keit mit al­lem Lu­xus. Große Ge­füh­le
lang­weil­ten sie, aber sie in­spi­rier­te sie und muß­te mit ih­nen kämp­fen.
    Eva Mo­ser saß ne­ben
dem Fens­ter und schau­te hin­aus. Ih­re glück­li­che Stim­mung war um­ge­schla­gen. »Sie
heult«, sag­te Ma­ria Sa­vi­ni zu Lil­li­an. »Was sagst du da­zu?«
    »Warum?«
    »Frag sie selbst;
du wirst es nicht glau­ben. Sie hält dies für ihr Zu­hau­se.«
    »Es ist mein
Zu­hau­se«, sag­te Eva Mo­ser. »Hier bin ich glück­lich ge­we­sen. Hier ha­be ich
Freun­de. Un­ten ken­ne ich nie­mand.«
    Al­le schwie­gen
einen Au­gen­blick. »Sie kön­nen ja hier blei­ben«, sag­te Charles Ney dann.
»Nie­mand hin­dert Sie.«
    »Doch! Mein Va­ter.
Es ist zu teu­er, wenn ich hier blei­be. Er will, daß ich einen Be­ruf ler­ne. Was
für einen Be­ruf? Ich kann doch nichts! Und das biß­chen, was ich ge­konnt ha­be,
ha­be ich hier ver­lernt.«
    »Hier ver­lernt man
al­les«, er­klär­te Strep­to­my­cin-Lil­ly fried­lich aus ih­rer Ecke her­aus. »Wer ein
paar Jah­re hier ist, taugt nicht mehr für un­ten.«
    Lil­ly war seit
Jah­ren das Ver­suchs­ka­nin­chen des Dalai La­ma für neue Ku­ren. Er pro­bier­te

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