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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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Stört es dich sehr?«
    »Nichts stört mich
mehr. Mir ist, als hät­te ich im­mer auf die­se Nacht ge­war­tet. Hin­ter der schlaf-
und knob­lauch­rie­chen­den Lo­ge un­ten ist die Welt ab­ge­bro­chen. Wir ha­ben uns
ge­ra­de noch dar­über ge­ret­tet.«
    »Ha­ben wir?«
    »Ja. Hörst du
nicht, wie still es ge­wor­den ist?«
    »Du bist still
ge­wor­den«, er­wi­der­te sie. »Weil du er­reicht hast, was du woll­test.«
    »Ha­be ich das? Ich
bin in ein Mo­deate­lier ge­kom­men, scheint mir.«
    »Ah, mei­ne
schwei­gen­den Freun­de!« Lil­li­an blick­te auf die Klei­der, die noch her­um­hin­gen.
»Sie ha­ben mir nachts von phan­tas­ti­schen Bäl­len und Kar­ne­vals-Re­dou­ten er­zählt.
Heu­te abend brau­che ich sie nicht mehr. Soll ich sie ein­sam­meln und in den
Schrank sper­ren?«
    »Lass sie hän­gen.
Was ha­ben sie dir er­zählt?«
    »Vie­les. Von Fes­ten
und Städ­ten und Lie­be. Und man­ches vom Meer. Ich ha­be es nie ge­se­hen.«
    »Wir kön­nen
hin­fah­ren.« Cler­fa­yt gab ihr das Glas mit dem kal­ten Bier. »In we­ni­gen Ta­gen.
Ich muß nach Si­zi­li­en. Zu ei­nem Ren­nen. Ich wer­de es nicht ge­win­nen. Komm mit
mir!«
    »Willst du im­mer
ge­win­nen?«
    »Es ist manch­mal
ganz gut. Idea­lis­ten kön­nen mit Geld ei­ne Men­ge an­fan­gen.«
    Lil­li­an lach­te.
»Ich wer­de das mei­nem On­kel Gas­ton er­klä­ren.«
    Cler­fa­yt
be­trach­te­te das Kleid aus dem sehr dün­nen sil­ber­nen Bro­kat, das am Kopf­en­de des
Bet­tes hing.
    »Das ist ein Kleid
für Pa­ler­mo«, sag­te er.
    »Ich ha­be es vor
ein paar Ta­gen spät nachts ge­tra­gen.«
    »Wo?«
    »Hier.«
    »Al­lein?«
    »Al­lein, wenn du
willst. Ich hat­te ein Fest mit der Sain­te-Cha­pel­le, ei­ner Fla­sche Pouil­ly, der
Sei­ne und dem Mond.«
    »Du wirst nicht
mehr al­lein sein.«
    »Ich war nicht so
al­lein, wie du glaubst.«
    »Ich weiß«, sag­te
Cler­fa­yt. »Ich spre­che da­von, daß ich dich lie­be, als müss­test du dank­bar da­für
sein – aber ich den­ke das nicht. Ich drücke mich nur so pri­mi­tiv aus, weil
es mir so un­ge­wohnt ist.«
    »Du drückst dich
nicht pri­mi­tiv aus.«
    »Je­der Mann tut
das, wenn er nicht lügt.«
    »Komm«, sag­te
Lil­li­an. »Mach die Fla­sche Dom Pe­ri­gnon auf. Mit Brot und Wurst und Bier wirst
du mir zu un­si­cher, zu all­ge­mein und zu schlicht phi­lo­so­phisch. Was schnup­perst
du? Wo­nach rie­che ich?«
    »Nach Knob­lauch,
Mond und Lü­gen, die ich nicht her­aus­fin­den kann.«
    »Gott­lob! Lass uns
zur Er­de zu­rück­fin­den und uns da fest­hal­ten. Man fliegt so leicht da­von, wenn
vol­ler Mond ist. Und Träu­me ha­ben kei­ne Schwer­kraft.«

11
    E in Ka­na­ri­en­vo­gel
sang. Cler­fa­yt hör­te es im Schlaf. Er wach­te auf und sah sich um. Er dau­er­te
einen Mo­ment, be­vor er wuß­te, wo er war. Son­ne und Wi­der­schein von wei­ßen
Wol­ken und Was­ser tanz­ten an der De­cke ei­nes Zim­mers, das um­ge­kehrt, von oben
nach un­ten zu lie­gen schi­en. Ein hell­grü­ner Sa­tin­vo­lant um­säum­te die De­cke. Die
Tür zum Ba­de­zim­mer und das Fens­ter dar­in stan­den of­fen, und Cler­fa­yt konn­te
über den Hof an ei­nem Fens­ter ge­gen­über den Kä­fig des Ka­na­ri­en­vo­gels hän­gen
se­hen. Ei­ne Frau mit mäch­ti­gem Bu­sen und gel­bem Haar saß da­hin­ter an ei­nem
Tisch und aß – so­viel er se­hen konn­te – kein Früh­stück, son­dern ein
Mit­tages­sen mit ei­ner hal­b­en Fla­sche Bur­gun­der.
    Er such­te nach
sei­ner Uhr. Es war kei­ne Täu­schung; sie zeig­te auf zwölf. Er hat­te seit Mo­na­ten
nicht so lan­ge ge­schla­fen und spür­te plötz­lich star­ken Hun­ger. Vor­sich­tig
öff­ne­te er die Tür. Da lag das Pa­ket mit den Din­gen, die er am Abend vor­her
be­stellt hat­te. Der Haus­knecht hat­te Wort ge­hal­ten. Er pack­te aus, ließ das
Ba­de­was­ser ein­lau­fen, wusch sich und zog sich an. Der Ka­na­ri­en­vo­gel sang im­mer
noch. Die di­cke Blon­de aß jetzt Ap­fel­ku­chen mit Kaf­fee. Cler­fa­yt ging zum
an­de­ren Fens­ter nach dem Quai zu. Der Ver­kehr braus­te drau­ßen mit vol­ler
Stär­ke. Die Käs­ten der Buch­händ­ler stan­den of­fen, und ein Schlepp­damp­fer zog
glän­zend vor­bei, einen bel­len­den Spitz auf dem Rücken. Cler­fa­yt beug­te

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