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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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und sie ge­küßt; aber er war nicht ganz si­cher, was dann ge­sche­hen
wür­de. Er fühl­te sich merk­wür­di­ger­wei­se ir­gend­wie be­tro­gen und wä­re am liebs­ten
mit sei­nem Wa­gen in das Beet gel­ber Tul­pen ge­fah­ren, um sie zu zer­quet­schen und
al­les um sich her­um bei­sei­te­zu­sto­ßen und Lil­li­an an sich zu rei­ßen und mit ihr
ir­gend­wo­hin zu fah­ren – aber wo­hin? In ei­ne Höh­le, ein Ver­steck, ein
Zim­mer – oder im­mer wie­der in die un­per­sön­li­che Fra­ge ih­rer hel­len Au­gen,
die ihn nicht ganz an­zu­se­hen schie­nen?
    »Ich lie­be dich«,
sag­te er. »Ver­giß al­les an­de­re. Ver­giß die Frau.«
    »Warum? Wo­zu
soll­test du nicht je­mand ha­ben? Glaubst du, ich wä­re all die Zeit al­lein
ge­we­sen?«
    Gi­u­sep­pe mach­te
einen Sprung und gab den Geist auf. Cler­fa­yt star­te­te aufs neue. »Du meinst im
Sa­na­to­ri­um?« sag­te er.
    »Ich mei­ne in
Pa­ris.«
    Er starr­te sie an.
Sie lä­chel­te. »Ich kann nicht al­lein sein. Und nun fahr mich ins Ho­tel. Ich bin
mü­de.«
    »Gut.«
    Cler­fa­yt fuhr am
Lou­vre ent­lang, an der Con­cier­ge­rie vor­bei und über die Brücke des Bou­le­vard
St.-Mi­chel. Er war wü­tend und hilf­los. Am liebs­ten hät­te er Lil­li­an ver­prü­gelt,
aber er war ohn­mäch­tig – sie hat­te ihm nur et­was ge­stan­den, was auch er
ihr vor­her ge­stan­den hat­te, und er zwei­fel­te kei­nen Au­gen­blick dar­an. Al­les,
was er jetzt woll­te, war, sie wie­der­zu­be­kom­men. Sie war plötz­lich das
Wich­tigs­te und Be­geh­rens­wer­tes­te ge­wor­den, was er kann­te. Er wuß­te nicht, was
er tun soll­te, aber ir­gend et­was muß­te ge­sche­hen; er konn­te sie nicht ein­fach
ab­ge­ben am Ein­gang des Ho­tels, sie wür­de nie wie­der­kom­men, dies war sei­ne
letz­te Chan­ce, er muß­te ein Zau­ber­wort fin­den, um sie zu hal­ten, sonst wür­de
sie aus­stei­gen und ihn ab­we­send lä­chelnd küs­sen und durch den Ho­te­lein­gang
ver­schwin­den, der nach Bouil­la­bais­se und Knob­lauch roch, die aus­ge­tre­te­ne,
schie­fe Trep­pe hin­auf, vor­bei an der klei­nen The­ke, in der der Haus­knecht
dös­te, ne­ben sich ein Stück Lyo­ner Wurst und ei­ne Fla­sche Vin or­dinaire –
sie wür­de hin­auf­ge­hen, und das letz­te, was er von ihr se­hen wür­de, wür­den ih­re
schma­len, hel­len Fes­seln im Halb­düs­ter des en­gen Gan­ges sein, wie sie dicht
ne­ben­ein­an­der die Stu­fen hin­auf­stie­gen, und oben, in ih­rem Zim­mer, wür­den ihr
wahr­schein­lich plötz­lich aus der gol­de­nen Bo­le­ro­ja­cke zwei Flü­gel wach­sen, und
sie wür­de durch das Fens­ter flie­gen, rasch, hin­aus, nicht zur Sain­te-Cha­pel­le,
von der sie ihm er­zählt hat­te, son­dern auf ei­nem sehr ele­gan­ten He­xen­be­sen, der
ver­mut­lich auch von Ba­len­cia­ga oder Di­or war, di­rekt zu ei­ner Wal­pur­gis­nacht,
an der nur Teu­fel in Fracks teil­nah­men, die je­den Ge­schwin­dig­keits­re­kord
ge­bro­chen hat­ten, sich in sechs Spra­chen flie­ßend un­ter­hiel­ten, von Pla­to bis
Hei­deg­ger al­les kann­ten und ne­ben­her noch Kla­vier­vir­tuo­sen, Box­welt­meis­ter und
Poe­ten wa­ren.
    Der Haus­knecht
gähn­te und er­wach­te. »Ha­ben sie den Schlüs­sel zur Kü­che?« frag­te Cler­fa­yt.
    »Sehr wohl. Vichy?
Cham­pa­gner? Bier?«
    »Ho­len Sie aus dem
Eis­schrank ei­ne Büch­se Ka­vi­ar.«
    »Da kann ich nicht
ran, mein Herr. Ma­da­me hat den Schlüs­sel.«
    »Dann lau­fen Sie
zum Re­stau­rant Lapérou­se an der Ecke. Ho­len Sie dort ei­ne Büch­se. Es ist noch
of­fen. Wir war­ten hier. Ich wer­den den Dienst hier so­lan­ge über­neh­men.«
    Er nahm Geld aus
der Ta­sche. »Ich will kei­nen Ka­vi­ar«, sag­te Lil­li­an.
    »Was willst du?«
    Sie zö­ger­te.
»Cler­fa­yt«, er­wi­der­te sie schließ­lich. »Bis jetzt ist kein Mann um die­se Zeit
bei mir ge­we­sen. Und das willst du doch nur wis­sen?«
    »Das ist wahr«,
misch­te sich der Haus­knecht ein. »Ma­da­me kommt im­mer al­lein nach Hau­se. Ce
n'est pas nor­mal, Mon­sieur. Soll ich Cham­pa­gner ho­len? Wir ha­ben noch vierund­drei­ßi­ger
Dom Pe­ri­gnon.«
    »Brin­gen Sie ihn,
Sie Gold­jun­ge«, rief Cler­fa­yt. »Was gibt es zu es­sen?«
    »Ich möch­te von

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