E.M. Remarque
anderen Morgen
nicht mehr, wo ich überall gewesen, ich wußte nicht, wie ich auf mein Zimmer
gekommen war.
Scott klärte mich auf. »Sie haben die
beiden Zeichnungen, die hier hingen, verkauft, Robert«, sagte er. »Gehörten die
Ihnen?«
Ich sah mich um. Mein Kopf dröhnte. Die
beiden Degas-Zeichnungen waren fort. »An wen habe ich sie verkauft?« fragte
ich.
»An Holt, glaube ich. Den Regisseur, der
Tannenbaums Film macht.«
»An Holt? Ich habe keine Ahnung. Gott, muß
ich betrunken gewesen sein!«
»Wir hatten alle zuviel. Es war eine
herrliche Party! Sie waren großartig, Robert!«
Ich blickte mißtrauisch auf. »Habe ich mich
wie ein blöder Affe aufgeführt?«
»Nein, das war Jimmy. Er heult immer, wenn
er trinkt. Sie waren in Ordnung. Waren sie denn schon blau, als Sie die
Zeichnungen verkauften? Man hat es Ihnen nicht angesehen.«
»Ich muß es gewesen sein. Ich weiß nichts
mehr davon.«
»Auch nicht von dem Scheck?«
»Was für einen Scheck?«
»Holt hat Ihnen doch gleich einen Scheck
gegeben.«
Ich stand auf und suchte in meinen Taschen
nach. Ich fand tatsächlich den zusammengefalteten Scheck. Ich starrte darauf.
»Holt war ganz hin«, sagte Scott. »Sie haben fabelhaft über Kunst gesprochen.
Er hat die Bilder gleich mitgenommen, so angetan war er.«
Ich hielt den Scheck gegen das Licht. Dann
lachte ich. Ich hatte die beiden Zeichnungen fünfhundert Dollar höher verkauft,
als Silvers sie ausgezeichnet hatte. »So was!« sagte ich zu Scott. »Ich habe
die Bilder zu billig verkauft.«
»Wirklich? Das ist eine verfluchte Geschichte.
Ich glaube nicht, daß Holt sie wieder herausgibt.«
»Macht nichts«, sagte ich. »Geschieht mir
recht.«
»Ist das unangenehm für Sie?«
»Nicht sehr. Strafe muß sein. Habe ich auch
die beiden Picassos verkauft?«
»Was?« – »Die beiden anderen
Zeichnungen.«
»Davon weiß ich nichts. Wie wäre es mit
einem Sprung in das Schwimmbassin? Sehr gut gegen Kater.«
»Ich habe keine Badehose.«
Scott brachte vier aus seinem Zimmer.
»Suchen Sie sich eine aus. Wollen Sie frühstücken oder zu Mittag essen? Es ist
ein Uhr.«
Ich stand auf. Ein Bild des Friedens
empfing mich draußen. Das Wasser leuchtete; einige Mädchen schwammen im
Swimming-pool herum, bequem gekleidete Männer saßen in Lehnstühlen, lasen die
Zeitungen, tranken Orangensaft oder Whisky und unterhielten sich lässig. Ich
erkannte den weißhaarigen Mann, bei dem ich abends gewesen war. Er winkte
ebenfalls. Ich hatte plötzlich eine Schar von gutartigen Freunden, ohne sie zu
kennen. Alkohol war ein einfacherer Vermittler als Geist, und das Leben schien
keine Probleme zu haben, der Himmel war ohne Wolken, und dieser Fleck war ein
Paradies, herausgehoben aus störenden Beziehungen und der schwarzen
Gewitternacht Europas. Es war eine Illusion des ersten Eindrucks. Ohne Zweifel
herrschten auch hier die Schlangen und nicht die Schmetterlinge. Aber schon
eine Illusion war etwas so Unerhörtes, als wäre man plötzlich nach Tahiti in
ein Südsee-Idyll versetzt, und alles, was man zu tun brauchte, wäre, die
Vergangenheit und sein eigenes, angewachsenes, mörderisches Selbst zu vergessen
und zu seinem Ur-Selbst zurückzufinden, jenseits der Erfahrungen und dem Unrat
der Jahre. Vielleicht, dachte ich, als ich in das blaugrüne Wasser sprang,
folgte einem diesmal wirklich nichts nach, und man konnte neu beginnen, statt
die Verpflichtungen zur Rache weiter wie einen Tornister voll mit Blei mit sich
zu schleppen.
***
Silvers' Ärger verflog, als
ich ihm den Scheck überreichte. »Sie hätten tausend Dollar mehr verlangen
sollen«, erklärte er.
»Ich habe fünfhundert Dollar mehr verlangt,
als Sie angegeben haben. Wenn Sie wollen, kann ich den Scheck zurückgeben und
Ihnen die Zeichnungen
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