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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Ma­ge­nul­cus seit Jah­ren,
ei­ne ver­heil­te Tu­ber­ku­lo­se und jetzt Krebs. Die Kran­ken­ge­schich­te zeig­te, daß
er vier Jah­re ver­hei­ra­tet ge­we­sen war; die Frau war im Kind­bett ge­stor­ben; das
Kind drei Jah­re spä­ter an Tu­ber­ku­lo­se. Kei­ne an­dern An­ge­hö­ri­gen. Da lag das nun
und starr­te ihn an und woll­te nicht ster­ben und war ge­dul­dig und mu­tig und
wuß­te nicht, daß er durch den Darm er­nährt wer­den muß­te und nicht mehr ei­ne der
we­ni­gen Freu­den sei­nes Da­seins, Senf­gur­ken und ge­koch­tes Rind­fleisch, es­sen
durf­te. Er lag da und roch und war zer­schnit­ten und hat­te ir­gend et­was, das
sei­ne Au­gen be­weg­te und das man See­le nann­te. Sei stolz, daß du ein Ro­man­ti­ker
bist! Das Ho­he­lied der Mensch­heit.
    Ra­vic häng­te die Ta­fel mit der Fie­ber­zif­fer und der
Pul­s­an­ga­be zu­rück. Die Schwes­ter stand auf und war­te­te. Sie hat­te einen
an­ge­fan­ge­nen Swea­ter ne­ben sich auf dem Stuhl lie­gen. Die Strick­na­del steck­te
dar­in, und ein Knäu­el Wol­le lag auf dem Bo­den.
    Der dün­ne Fa­den Wol­le, der her­un­ter­hing, war wie ein
dün­ner Fa­den Blut; als blu­te der Swea­ter her­un­ter.
    Der liegt da, dach­te Ra­vic, und selbst mit der Sprit­ze
wird er ei­ne scheuß­li­che Nacht ha­ben mit Schmer­zen, Un­be­weg­lich­keit, Atem­not
und Schre­cken­sträu­men, und ich war­te auf ei­ne Frau und glau­be, daß es ei­ne
schwie­ri­ge Nacht für mich wer­den wird, wenn sie nicht kommt. Ich weiß, wie
lä­cher­lich das ist, ver­gli­chen mit die­sem Ster­ben­den hier, ver­gli­chen mit
Gas­ton Per­ri­er ne­ben­an, des­sen Arm zer­schmet­tert ist, ver­gli­chen mit tau­send
an­dern, ver­gli­chen mit all dem, was in der Welt heu­te nacht pas­siert, und es
nützt mir trotz­dem nichts. Es nützt nichts, es hilft nichts, es än­dert nichts,
es bleibt das­sel­be. Was hat­te Mo­ro­sow ge­sagt? Warum hast du kei­ne
Ma­gen­schmer­zen? Ja, warum nicht?
    »Ru­fen Sie mich an, wenn ir­gend et­was pas­siert«, sag­te er
zu der Schwes­ter. Es war die­sel­be, die von Ka­te Hegström das Gram­mo­phon
ge­schenkt be­kom­men hat­te.
    »Der Herr ist sehr er­ge­ben«, sag­te sie.
    »Was ist er?« frag­te Ra­vic er­staunt.
    »Sehr er­ge­ben. Ein gu­ter Pa­ti­ent.«
    Ra­vic sah um­her. Da war nichts, was die Nur­se als
Ge­schenk er­war­ten konn­te. Sehr er­ge­ben – was für Aus­drücke die
Kran­ken­schwes­tern manch­mal hat­ten! Der ar­me Teu­fel da kämpf­te mit al­len Ar­meen
sei­ner Blut­kör­per und sei­ner Ner­ven­zel­len ge­gen den Tod – er war nicht die Spur
er­ge­ben.
    Er ging zum Ho­tel zu­rück. Vor der Tür traf er Gold­berg.
Ein al­ter Mann mit ei­nem grau­en Bart und ei­ner di­cken gol­de­nen Uhr­ket­te auf der
Wes­te.
    »Schö­ner Abend«, sag­te Gold­berg.
    »Ja.« Ra­vic dach­te an
die Frau in Wie­sen­hoffs Zim­mer. »Wol­len Sie nicht noch et­was Spa­zie­ren­ge­hen?«
frag­te er.
    »Ich war schon. Bis zum Con­cor­de und zu­rück.«
    Bis zum Con­cor­de. Da lag die Ame­ri­ka­ni­sche Bot­schaft.
Weiß un­ter den Ster­nen, still und leer, ei­ne Ar­che No­ah, in der es Stem­pel für
Vi­sa gab, un­er­reich­bar. Gold­berg hat­te da­vor ge­stan­den, drau­ßen, ne­ben dem
Cril­lon, und auf den Ein­gang und die dunklen Fens­ter ge­st­arrt wie auf einen
Rem­brandt oder den Koh-i-noor-Dia­man­ten.«
    »Wol­len wir nicht noch et­was ge­hen? Zum Arc zu­rück?«
frag­te Ra­vic und dach­te: Wenn ich die zwei da oben ret­te, wird Jo­an in mei­nem
Zim­mer sein oder, sie wird in­zwi­schen kom­men.
    Gold­berg schüt­tel­te den Kopf.
    »Ich muß ’rauf. Mei­ne Frau war­tet si­cher schon. Ich war
über zwei Stun­den fort.«
    Ra­vic sah auf die Uhr. Es ging auf halb eins. Da war
nichts zu ret­ten. Die Frau war längst wie­der zu­rück in ih­rem Zim­mer. Er sah
Gold­berg nach, der lang­sam die Trep­pe hin­auf­stieg. Dann ging er zum Por­tier.
»Hat je­mand für mich an­ge­ru­fen?«
    »Nein.«
    Das Zim­mer war hell
er­leuch­tet. Er er­in­ner­te sich, es so ver­las­sen zu ha­ben. Das Blatt schim­mer­te,
als hät­te es über­ra­schend ge­schneit. Er nahm den Zet­tel, den er auf den Tisch
ge­legt hat­te, be­vor er ging und auf dem stand, daß er in

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