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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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im­mer. Des­halb wirst du auch im­mer ge­ret­tet.«
    »Kannst du nicht ernst­haft mit mir re­den?«
    »Ich re­de ernst­haft mit dir.«
    »Wenn ich im­mer ge­ret­tet wer­de, warum kom­me ich dann
nicht von dir los?«
    »Du kommst ganz gut von mir los.«
    »Laß das! Du weißt, das hat nichts da­mit zu tun. Wenn ich
von dir los­kom­men wür­de, lie­fe ich nicht hin­ter dir her. An­de­re ha­be ich
ver­ges­sen. Dich nicht. Wes­halb?«
    Ra­vic nahm einen Schluck. »Viel­leicht, weil du mich nicht
ganz un­ter die Fü­ße ge­kriegt hast.«
    Sie stutz­te. Dann schüt­tel­te sie den Kopf. »Ich ha­be
nicht al­le un­ter die Fü­ße ge­kriegt, wie du das nennst. Man­che über­haupt nicht.
Und ich ha­be sie ver­ges­sen. Ich war un­glück­lich, aber ich ha­be sie ver­ges­sen.«
    »Du wirst mich auch ver­ges­sen.«
    »Nein. Du machst mich un­ru­hig. Nein, nie.«
    »Man glaubt gar nicht, wie­viel man ver­ges­sen kann«, sag­te
Ra­vic. »Das ist ein großer Se­gen und ein ver­damm­tes Elend.«
    »Du hast mir im­mer noch nicht ge­sagt, wes­halb das so ist
mit uns.«
    »Das kön­nen wir bei­de uns nicht er­klä­ren. Wir kön­nen
re­den, so­lan­ge wir wol­len. Es wür­de nur im­mer kon­fu­ser. Es gibt Din­ge, die man
nicht er­klä­ren kann. Und an­de­re, die man nicht ver­steht. Ge­seg­net sei das
biß­chen Dschun­gel in uns. Ich ge­he jetzt.«
    Sie stand rasch auf. »Du kannst mich nicht al­lein las­sen.«
    »Willst du mit mir schla­fen?«
    Sie sah ihn an und sag­te nichts. »Ich hof­fe nicht«, sag­te
er.
    »Wo­zu fragst du das?«
    »Um mich zu er­hei­tern. Geh schla­fen. Es ist schon hell
drau­ßen. Kei­ne Zeit für Tra­gö­di­en.«
    »Du willst nicht blei­ben?«
    »Nein. Und ich wer­de nie wie­der­kom­men.«
    Sie stand sehr still. »Nie?«
    »Nie. Und du wirst nie wie­der zu mir kom­men.«
    Sie schüt­tel­te lang­sam den Kopf. Dann deu­te­te sie auf den
Tisch. »Des­we­gen?«
    »Nein.«
    »Ich ver­ste­he dich nicht. Wir kön­nen doch ...«
    »Nein«, sag­te er rasch. »Nicht das noch. Die For­mel von
der Freund­schaft. Der klei­ne Ge­mü­se­gar­ten auf der La­va er­lo­sche­ner Ge­füh­le.
Nein, wir kön­nen das nicht. Wir nicht. Man mag das kön­nen bei klei­nen Af­fä­ren.
Und dann ist es auch schmie­rig. Lie­be soll man nicht durch Freund­schaft
be­su­deln. Ein En­de ist ein En­de.«
    »Aber warum ge­ra­de jetzt?«
    »Du hast recht. Es hät­te frü­her sein sol­len. Als ich
zu­rück­kam aus der Schweiz. Aber nie­mand ist all­wis­send. Und manch­mal will man
auch nicht al­les wis­sen. Es war …«, er brach ab.
    »Was war es?« Sie stand vor ihm, als ver­stän­de sie et­was
nicht und müs­se es drin­gend wis­sen. Sie war blaß, und ih­re Au­gen wa­ren
durch­sich­tig. »Was war das nur mit uns, Ra­vic?« flüs­ter­te sie.
    Der Kor­ri­dor hin­ter ih­rem Haar, halb er­leuch­tet, schwan­kend
im Licht, als füh­re er weit in einen Schacht, in dem Ver­spre­chen däm­mer­te,
be­taut von vie­len Ge­ne­ra­tio­nen, be­taut von im­mer neu­en Hoff­nun­gen. »Lie­be …«,
sag­te er.
    »Lie­be?«
    »Lie­be. Und des­halb ist die­ses das En­de.«
    Er schloß die Tür hin­ter sich. Der Auf­zug. Er drück­te den
Knopf. Aber er war­te­te nicht, bis der Lift her­auf­kroch. Er fürch­te­te, Jo­an
wür­de ihm nach­kom­men. Er ging rasch die Trep­pen hin­un­ter. Er wun­der­te sich, die
Tür nicht zu hö­ren. Auf dem zwei­ten Ab­satz blieb er ste­hen und horch­te. Nichts
reg­te sich. Nie­mand kam.
    Das Ta­xi stand noch vor dem Haus. Er hat­te es ver­ges­sen
ge­habt. Der Fah­rer tipp­te an sei­ne Müt­ze und grins­te ver­trau­lich. »Wie­viel?«
frag­te Ra­vic. – »Sieb­zehn­fünf­zig.«
    Ra­vic zahl­te. »Wol­len Sie nicht zu­rück­fah­ren?« frag­te der
Chauf­feur er­staunt.
    »Nein. Ich will ge­hen.«
    »Ziem­lich weit, mein Herr.«
    »Ich weiß.«
    »Da hät­ten Sie mich doch nicht war­ten zu las­sen brau­chen.
Kos­tet Sie elf Frank für nichts.«
    »Macht nichts.«
    Der Fah­rer ver­such­te einen Zi­ga­ret­ten­stum­mel, der ihm
braun und feucht an der Ober­lip­pe kleb­te, an­zu­zün­den. »Na, hof­fent­lich war’s
das wert.«
    »Mehr!« sag­te Ra­vic.
    Die An­la­gen stan­den in der kal­ten Mor­gen­hel­le. Die Luft
war schon warm, aber das Licht war kalt. Bü­sche

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