E.M. Remarque
Ende.
Ich habe gesagt, du würdest nie wieder etwas von mir hören. Ich habe es gesagt,
weil du es wolltest. Daß ich es trotzdem nicht tue – verstehst du das nicht?«
Sie sah ihn an. »Nein«, erwiderte er grob. »Alles, was
ich verstehe, ist, daß du mit zwei Männern schlafen willst.«
Sie rührte sich nicht. »Es ist nicht so«, sagte sie dann.
»Aber selbst, wenn es so wäre, was geht es dich an?«
Er starrte sie an. – »Was geht es dich wirklich an?«
wiederholte sie. »Ich liebe dich. Ist das nicht genug?«
»Nein.« – »Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Du
nicht. Du warst es auch nie ...«
»So?«
»Nein. Du weißt überhaupt nicht, was es ist.«
»Natürlich nicht. Weil ich keine Theateraufführungen
veranstaltet habe, wie dein Knabe da ...«
Sie lächelte. »Ravic«, sagte sie. »Eifersucht beginnt mit
der Luft, die der andere atmet.«
Er antwortete nicht. Sie stand vor ihm und sah ihn an.
Sie sah ihn an und schwieg. Die Luft, der schmale Korridor, das halbe Licht –
alles war plötzlich voll von ihr. Voll von einem Warten, einem atemlosen,
sanften Ziehen, wie die Erde, wenn man sich über die Brüstung eines Turms
schwindelnd beugt. Ravic fühlte es. Er wollte nicht gefangen werden. Er dachte
jetzt nicht mehr daran, zu gehen. Wenn er ginge, würde ihn dieses hier
verfolgen. Und er wollte nicht verfolgt werden. Er wollte ein klares Ende machen.
Er brauchte Klarheit morgen.
»Hast du einen Schnaps da?« fragte er.
»Ja. Was willst du? Calvados?«
»Kognak, wenn du ihn hast. Oder meinetwegen auch
Calvados. Ganz gleich.«
Sie ging zu dem kleinen Schrank. Er blickte hinter ihr
her. Die helle Luft, die unsichtbare Strahlung der Lockung, das: hier laßt uns
Hütten bauen, die alte, ewige Gaukelei – als wenn Friede jemals länger als für
eine Nacht aus dem Blute kommen konnte!
Eifersucht. Er wußte nichts davon? Aber wußte er nicht
etwas von der Unvollkommenheit der Liebe? War das nicht älterer Schmerz,
unstillbarer als das bißchen persönliche Elend: Eifersucht? Begann es nicht
schon damit, daß man wußte, daß einer zuerst sterben würde?
Joan brachte keinen Calvados. Sie brachte eine Flasche
Kognak. Gut, dachte er. Manchmal begriff sie etwas. Er schob die Fotografie
beiseite, um sein Glas hinzustellen. Dann nahm er sie wieder auf. Es war das
einfachste, um die Wirkung zu brechen – den Nachfolger zu betrachten.
»Sonderbar, wie schlecht mein Gedächtnis ist«, sagte er. »Ich dachte, dein
Knabe sähe ganz anders aus.«
Sie setzte die Flasche nieder. »Das ist er doch gar
nicht.«
»Ach so – schon jemand anders.«
»Ja – deshalb war doch das Ganze.«
Ravic trank einen großen Schluck Kognak. »Du solltest
wissen, daß man keine Fotografien von Männern herumstehen hat, wenn der frühere
Liebhaber kommt. Man hat überhaupt keine Fotografien herumstehen. Es ist
geschmacklos.«
»Sie stand nicht herum. Er hat sie gefunden. Er hat
herumgesucht. Und Fotografien hat man. Du verstehst das nicht. Eine Frau
versteht das. Ich wollte nicht, daß er sie sah.«
»Dafür hast du jetzt Krach. Bist du abhängig von ihm?«
»Nein. Ich habe meinen Kontrakt. Für zwei Jahre.«
»Hat er ihn dir besorgt?«
»Warum nicht?« Sie war ehrlich erstaunt. »Ist etwas
dabei?«
»Nein. Aber es gibt Menschen, die so etwas verbittert.«
Sie hob die Schultern. Er sah es. Eine Erinnerung. Eine
Nostalgie. Schultern, die einmal neben einem atmend sich hoben, leise,
regelmäßig im Schlaf. Eine flüchtige Wolke beglänzter Vögel am rötlichen
Nachthimmel? Weit? Wie weit vorbei? Rede, unsichtbarer Buchhalter! Ist es nur
begraben oder sind es wirklich letzte, flüchtige Reflexe? Aber wer wußte das?
Die Fenster standen weit offen. Etwas flog herein,
taumelnd, ein dunkler Fetzen, unsicher flatternd, sich haltend am Schirm der
Lampe, Flügel aufschlagend, sich
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