E.M. Remarque
Rendezvous für den
Anfang?«
»Ein Haus, in dem Frauen der Gesellschaft Abenteuer
suchen.«
»Was? Wirkliche Frauen der Gesellschaft?«
»Ja. Frauen, die zu alte Männer haben. Frauen, die zu
langweilige Männer haben. Frauen, deren Männer nicht genug Geld verdienen.«
»Aber wie … die können doch nicht einfach …, wie geht das
denn vor sich?«
»Die Frauen kommen
dahin auf eine Stunde oder ein paar Stunden. So wie zu einem Cocktail oder zu
einem Nightcup. Manche lassen sich auch anrufen und kommen dann. Es ist
natürlich keine Bude wie die hier in Montmartre. Ich kenne da ein sehr schönes
Haus, mitten im Bois. Die Besitzerin sieht aus, wie eine Herzogin aussehen
sollte. Alles äußerst vornehm und diskret und elegant.«
Ravic sprach langsam und ruhig, mit langsamem Atem. Er
hörte sich reden wie einen Touristenführer, aber er zwang sich,
weiterzusprechen, um ruhiger zu werden. In seinen Armen zitterten die Adern. Er
griff das Steuerrad fest mit beiden Händen, um es zu unterdrücken. »Sie werden
erstaunt sein, wenn Sie die Räume sehen«, sagte er. »Die Möbel sind alle echt,
die Teppiche und die Gobelins alt, der Wein ist ausgesucht, das Service ist
exquisit, und mit den Frauen sind Sie natürlich absolut sicher.«
Haake blies den Rauch seiner Zigarre aus. Er wandte sich
Ravic zu. »Hören Sie, das klingt alles wunderbar, mein lieber Herr von Horn.
Nur eins ist da die Frage: Das ist sicher nicht billig?«
»Es ist absolut nicht teuer.«
Haake lachte kollernd und etwas verlegen. »Kommt darauf
an, was man darunter versteht! Wir Deutschen mit unsern paar Devisen ...«
Ravic schüttelte den Kopf. »Ich kenne die Besitzerin sehr
gut. Sie ist mir verpflichtet. Sie betrachtet uns als Spezialgäste. Wenn Sie
kommen, kommen Sie als Freund von mir und dürfen wahrscheinlich nicht einmal
zahlen. Ein paar Trinkgelder höchstens – weniger, als Sie für eine Flasche in
der ›Osiris‹ zahlen.«
»Wirklich?« – »Sie werden es sehen.«
Haake rückte sich zurecht. »Donnerwetter, das ist ja
allerhand.«
Er schmunzelte breit zu Ravic hinüber. »Sie scheinen
glänzend Bescheid zu wissen! Muß schon ein guter Dienst gewesen sein, den Sie
der Frau geleistet haben.«
Ravic sah ihn an. Er sah ihm gerade in die Augen. »Häuser
dieser Art haben manchmal Schwierigkeiten mit Behörden. Leichte
Erpressungsversuche. Sie wissen doch, was ich meine?«
»Und ob!« Haake war einen Augenblick nachdenklich. »Haben
Sie so viel Einfluß hier?«
»Nicht viel. Ein paar Freunde in einflußreichen Stellen.«
»Das ist schon etwas! Wir können das gut brauchen. Können
wir nicht einmal darüber reden?«
»Gewiß. Wie lange bleiben Sie noch in Paris?«
Haake lachte. »Ich scheine Sie immer zu treffen, wenn ich
gerade abreise. Ich fahre um sieben Uhr dreißig früh.« Er sah auf die Uhr im
Wagen. »In zweieinhalb Stunden. Wollte es Ihnen schon sagen. Ich muß dann am
Gare du Nord sein. Können wir das schaffen?«
»Leicht. Müssen Sie vorher noch ins Hotel?«
»Nein. Mein Handgepäck ist schon am Bahnhof. Habe das
Hotel nachmittags aufgegeben. Spare so einen Tag Miete. Mit unseren
Devisen …« Er lachte wieder.
Ravic merkte plötzlich, daß er auch lachte. Er preßte die
Hände fest um das Steuerrad. Unmöglich, dachte er, das ist unmöglich!
Irgend etwas wird geschehen und noch dazwischenkommen. So
viel Zufall ist unmöglich.
Die frische Luft
brachte den Alkohol in Haake heraus. Seine Stimme wurde langsamer und schwerer.
Er rückte sich in seiner Ecke zurecht und begann zu dösen. Sein Unterkiefer
klappte herunter, und seine Augen schlossen sich. Der Wagen bog in das lautlose
Dunkel des Bois ein.
Die Scheinwerfer flogen wie lautlose Gespenster dem Wagen
voraus und rissen Geisterbäume aus der
Weitere Kostenlose Bücher