E.M. Remarque
die
Lade schoß heraus, und Rolande kassierte mit einem kindlich glücklichen Lächeln
von sich selbst.
Die Mädchen kamen neugierig heran und umringten die
Kasse. Rolande registrierte ein zweites Mal. Einen Frank fünfundsiebzig.
»Was bekommt man bei Ihnen für einen Frank
fünfundsiebzig?« fragte Marguerite, die sonst noch das Roß genannt wurde.
Rolande dachte nach. »Einen Dubonnet, zwei Pernods.«
»Wieviel ist ein Amèr Picon und ein Bier?«
»Siebzig Centime.« Rolande klapperte. Null Frank, siebzig
Centime.
»Billig«, sagte das Roß.
»Wir müssen billiger sein als Paris«, erklärte Rolande.
Die Mädchen rückten die Korbsessel um die Marmortische
und setzten sich vorsichtig hinein. Sie strichen ihre Abendkleider glatt und
waren plötzlich Besucher im künftigen Café Rolandes. »Wir möchten drei Tees mit
englischen Biskuits, Madame Rolande«, sagte Daisy, eine zarte Blonde, die besonders
bei Ehemännern beliebt war.
»Sieben Frank achtzig.« Rolande ließ die Kasse arbeiten.
»Es tut mir leid, aber englische Biskuits sind sehr teuer.«
Marguerite, das Roß, am Nebentisch, hob nach scharfem
Nachdenken den Kopf. »Zwei Flaschen Pommery«, bestellte sie triumphierend. Sie
hatte Rolande gern und wollte ihr das zeigen.
»Neunzig Frank. Guter Pommery.«
»Und vier Kognaks«, schnaufte das Roß. »Ich habe
Geburtstag.«
»Vier Frank vierzig.« Die Kasse klapperte.
»Und vier Kaffees mit Baisers?«
»Drei Frank sechzig.«
Das entzückte Roß starrte Rolande an. Es wußte nichts
mehr.
Die Mädchen drängten sich um die Kasse. »Wieviel ist das
zusammen, Madame Rolande?«
Rolande zeigte den Zettel mit den eingedruckten Zahlen
vor. »Hundertfünf Frank achtzig.«
»Und wieviel ist davon Verdienst?«
»Ungefähr dreißig Frank. Das macht der Champagner, an dem
man viel verdient.«
»Gut«, sagte das Roß. »Gut! So soll es immer gehen!«
Rolande kam zu Ravic zurück. Ihre Augen leuchteten, wie
nur Augen leuchten können, wenn in ihnen die Liebe oder das Geschäft steht.
»Adieu, Ravic. Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe.«
»Nein. Adieu, Rolande.«
Sie ging, kräftig, aufrecht, klar – die Zukunft war
einfach für sie und das Leben gut.
Er saß mit Morosow vor Fouquet’s. Es war neun Uhr abends.
Die Terrasse war gedrängt voll. Fern, hinter dem Are, brannten zwei Laternen
mit einem weißen, sehr kalten Licht.
»Die Ratten verlassen Paris«, sagte Morosow. »Im
›International stehen drei Zimmer leer. Das war nicht da seit 1933. «
»Es werden andere Emigranten kommen und sie füllen.«
»Was für welche? Wir hatten Russen, Italiener, Polen,
Spanier, Deutsche ...«
»Franzosen«, sagte Ravic. »Von den Grenzen. Flüchtlinge.
Wie im letzten Krieg.«
Morosow hob sein Glas und sah, daß es leer war. Er winkte
dem Kellner. »Noch eine Karaffe Pouilly.«
»Wie ist es mit dir, Ravic?« sagte er dann.
»Als Ratte?«
»Ja.«
»Ratten brauchen heute auch Pässe und Visa.«
Morosow sah ihn mißbilligend an. »Hast du bisher welche
gehabt? Trotzdem warst du in Wien, Zürich, Spanien und Paris. Jetzt ist es
Zeit, daß du hier verschwindest.«
»Wohin?« fragte Ravic. Er nahm die Karaffe, die der
Kellner gebracht hatte. Das Glas war kühl und beschlagen. Er schenkte den
leichten Wein ein. »Nach Italien? Da wartet die Gestapo an der Grenze. Nach
Spanien? Da warten die Falangisten.«
»Nach der Schweiz.«
»Die Schweiz ist zu klein. In der Schweiz war ich
dreimal. Jedesmal nach einer Woche hatte mich die Polizei und schickte mich
nach Frankreich zurück.«
»England. Von Belgien als blinder Passagier.«
»Ausgeschlossen. Sie erwischen dich im Hafen und schicken
dich nach Belgien zurück. Und Belgien ist kein Land für Emigranten.«
»Nach Amerika kannst du nicht. Wie ist es mit
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