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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ge­preßt, den
Mund of­fen, die Au­gen ver­ständ­nis­los starr.
    Er starb zwei Stun­den spä­ter. Ei­ne da­von schrie er.
    Ra­vic er­in­ner­te sich,
wie sie zu­rück­ge­kom­men wa­ren. Er hat­te stumpf und ver­stört in der Ba­ra­cke
ge­ses­sen. Es war das ers­te­mal, daß er so et­was ge­se­hen hat­te. Kat­c­zins­ky hat­te
ihn da ge­fun­den, der Grup­pen­füh­rer, Schuh­ma­cher im Pri­vat­le­ben. »Komm mit«,
hat­te er ge­sagt. »In der Bay­ern­kan­ti­ne gibt es heu­te Bier und Schnaps. Wurst
auch.« Er hat­te ihn an­ge­st­arrt. Hat­te sol­che Ro­heit nicht be­grif­fen. Kat­c­zins­ky
hat­te ihn ei­ne Wei­le be­ob­ach­tet, hat­te dann ge­sagt: »Du kommst mit. Und wenn ich
dich hin­prü­geln soll­te. Du wirst heu­te fres­sen und sau­fen und in einen Puff
ge­hen.« Er hat­te nicht geant­wor­tet. Kat­c­zins­ky hat­te sich ne­ben ihn ge­setzt.
»Ich weiß, was los ist. Ich weiß auch, was du jetzt über mich denkst. Aber ich
bin zwei Jah­re hier und du zwei Wo­chen. Hör zu! Kön­nen wir noch et­was für
Meß­mann tun? – Nein. – Glaubst du, daß wir al­les ris­kie­ren wür­den, wenn ei­ne
Chan­ce da wä­re, ihn zu ret­ten?« – Er hat­te auf­ge­blickt. Ja, das wuß­te er. Er
wuß­te das von Kat­c­zins­ky. »Gut. Er ist tot. Wir kön­nen nichts mehr ma­chen. Aber
in zwei Ta­gen müs­sen wir wie­der ’raus und nach vorn. Dies­mal wird es nicht so
ru­hig da sein. Wenn du jetzt hier hockst und an Meß­mann denkst, frißt du es in
dich ’rein. Es macht dei­ne Ner­ven ka­putt, wirst un­si­cher. Ge­ra­de ge­nug
viel­leicht, daß du beim nächs­ten Feu­er­über­fall drau­ßen nicht schnell ge­nug
bist. Hal­be Se­kun­de zu spät. Dann schlep­pen wir dich wie Meß­mann zu­rück. Wem
nützt das? Meß­mann? Nein. Je­mand an­de­rem? Nein. Dich haut es um, das ist al­les.
Ver­stehst du nun?« – »Ja, aber ich kann nicht.« – »Halt’s Maul, du kannst!
An­de­re ha­ben es auch ge­konnt. Du bist nicht der ers­te.«
    Es war bes­ser ge­wor­den nach die­ser Nacht. Er war
mit­ge­gan­gen, er hat­te sei­ne ers­te Lek­ti­on ge­lernt. Hilf, wenn du kannst – tu
al­les dann –; aber wenn du nichts mehr tun kannst, ver­giß! Dreh dich um! Halt
dich fest! Mit­leid ist et­was für ru­hi­ge Zei­ten. Nicht, wenn es ums Le­ben geht.
Be­gra­be die To­ten und friß das Da­sein! Du wirst es noch brau­chen müs­sen. Trau­er
ist ei­nes, Tat­sa­chen sind ein an­de­res. Man trau­ert nicht we­ni­ger, wenn man
trotz­dem die Tat­sa­chen sieht und an­er­kennt. Nur so über­lebt man.
    Ra­vic trank den Ko­gnak aus. Die Fran­zo­sen am Ne­ben­tisch
schwatz­ten im­mer noch über ih­re Re­gie­rung. Über das Ver­sa­gen Frank­reichs. Über
Eng­land. Über Ita­li­en. Über Cham­ber­lain. –
    Wor­te, Wor­te. Die ein­zi­gen, die han­del­ten, wa­ren die
an­de­ren. Sie wa­ren nicht stär­ker, nur ent­schlos­se­ner. Sie wa­ren nicht mu­ti­ger;
sie wuß­ten nur, daß die an­de­ren nicht kämp­fen wür­den. Auf­schub, aber was tat
man da­mit? Rüs­te­te man, hol­te man nach, raff­te man sich auf? Man sah zu, wie
die an­dern wei­ter­rüs­te­ten – und war­te­te, hoff­te un­tä­tig auf neu­en Auf­schub. Die
Ge­schich­te der Wal­roß­her­de. Hun­der­te am Strand; zwi­schen ih­nen der Jä­ger, der
ei­nes nach dem an­dern mit der Keu­le er­schlug. Zu­sam­men konn­ten sie ihn leicht
er­drücken – aber sie la­gen da, sa­hen ihn kom­men, mor­den und rühr­ten sich nicht;
er er­schlug ja nur ge­ra­de den Nach­barn – einen Nach­barn nach dem an­dern. Die
Ge­schich­te der eu­ro­päi­schen Wal­ros­se. Das Abend­rot der Zi­vi­li­sa­ti­on. Mü­de,
ge­stalt­lo­se Göt­ter­däm­me­rung. Die lee­ren Ban­ner der Men­schen­rech­te. Der
Aus­ver­kauf ei­nes Kon­tin­ents. An­bran­den­de Sint­flut. Krä­mer­ge­schäf­tig­keit um die
letz­ten Prei­se. Der al­te Jam­mer­tanz auf dem Vul­kan. Völ­ker, wie­der ein­mal
lang­sam auf die Schlacht­bank ge­trie­ben. Die Flö­he wür­den sich schon ret­ten,
wenn das Schaf ge­op­fert wur­de. Wie im­mer.
    Ra­vic drück­te sei­ne Zi­ga­ret­te aus. Er blick­te sich um.
Was soll­te das al­les? War der Abend nicht wie ei­ne Tau­be ge­we­sen vor­hin, wie
ei­ne wei­che, graue Tau­be? Be­gra­be

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