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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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bin
ge­fähr­det, aber nicht ge­fähr­lich.«
    »Das ge­hört da­zu, daß du das glaubst. Dir wird nie et­was
pas­sie­ren. Sa­lu­te!«
    »Sa­lu­te. Aber du ver­stehst mich nicht.«
    »Wer will schon ver­ste­hen? Da­her kom­men al­le
Miß­ver­stand­nis­se der Welt. Gib mir die Fla­sche her­über.«
    »Du trinkst so­viel. Wo­zu willst du so viel trin­ken?«
    »Jo­an«, sag­te Ra­vic. »Es wird der Tag kom­men, da du sa­gen
wirst: zu­viel! Du trinkst zu­viel, wirst du sa­gen und glau­ben, daß du nur mein
Bes­tes willst. In Wirk­lich­keit wirst du nur mei­ne Aus­flü­ge in ei­ne Zo­ne
ver­hü­ten wol­len, die du nicht kon­trol­lie­ren kannst. Sa­lu­te! Wir ze­le­brie­ren
heu­te. Wir sind der Pa­the­tik, die wie ei­ne Wol­ke dro­hend vor dem Fens­ter stand,
glor­reich ent­kom­men. Wir ha­ben sie mit der Pa­the­tik tot­ge­schla­gen. Sa­lu­te!«
    Er fühl­te, wie sie zuck­te. Sie rich­te­te sich halb auf,
stütz­te sich mit den Hän­den auf den Bo­den und sah ihn an. Ih­re Au­gen wa­ren weit
ge­öff­net, der Ba­de­man­tel war von der Schul­ter ge­glit­ten, das Haar war in den
Nacken ge­wor­fen, und sie hat­te im Dun­kel et­was von ei­ner hel­len, sehr jun­gen
Lö­win. »Ich weiß«, sag­te sie ru­hig. »Du lachst mich aus. Ich weiß es, und ich
ma­che mir nichts dar­aus. Ich füh­le, daß ich le­be; ich füh­le es mit al­lem, was
ich bin, mein Atem ist an­ders, und mein Schlaf ist nicht mehr tot, mei­ne
Ge­len­ke ha­ben wie­der Sinn, und mei­ne Hän­de sind nicht mehr leer, und es ist mir
ganz gleich, was du dar­über denkst und was du dar­über sagst, ich las­se mich
flie­gen und las­se mich lau­fen, und ich wer­fe mich hin, oh­ne Ge­dan­ken, und ich
bin glück­lich und ha­be we­der Vor­sicht noch Angst, es zu sa­gen, auch wenn du
lachst und mich ver­spot­test...«
    Ra­vic schwieg ei­ne Wei­le. »Ich ver­spot­te dich nicht«,
sag­te er dann. »Ich ver­spot­te mich, Jo­an ...«
    Sie lehn­te sich an ihn. »Warum? Da ist et­was hin­ter
dei­ner Stirn, das nicht will. Warum?«
    »Da ist nichts, was nicht will. Ich bin nur lang­sa­mer als
du.«
    Sie schüt­tel­te den Kopf. »Es ist nicht nur das. Es ist da
et­was, das al­lein blei­ben will. Ich füh­le es. Es ist wie ei­ne Bar­rie­re.«
    »Da ist kei­ne Bar­rie­re, da sind nur fünf­zehn Jah­re mehr
Le­ben, als du hast. Nicht je­der­manns Le­ben ist ein Haus, das ihm ge­hört und das
er mit den Mö­beln der Er­in­ne­rung im­mer rei­cher de­ko­riert. Man­cher lebt in
Ho­tels, in vie­len Ho­tels. Die Jah­re klap­pen hin­ter ihm zu­sam­men wie Ho­tel­tü­ren
– und das ein­zi­ge, was bleibt, ist ein biß­chen Cou­ra­ge und kein Be­dau­ern.«
    Sie ant­wor­te­te ei­ne Zeit­lang nicht. Er wuß­te nicht, ob
sie ihm zu­ge­hört hat­te. Er sah aus dem Fens­ter und spür­te den tie­fen Glanz des
Cal­va­dos ru­hig in sei­nen Adern. Das Klop­fen der Pul­se schwieg und wur­de zu
ei­ner aus­ge­brei­te­ten Stil­le, in der die Ma­schi­nen­ge­weh­re der rast­los
da­hin­ti­cken­den Zeit schwie­gen. Der Mond hob sich ver­schwom­men und rot über die
Dä­cher, wie die Kup­pel ei­ner halb in die Wol­ken ver­schwun­de­nen Mo­schee, die
lang­sam auf­stieg, wäh­rend die Er­de im Schnee­trei­ben ver­sank.
    »Ich weiß«, sag­te Jo­an, die Hän­de auf sei­nen Kni­en und
ihr Kinn auf die Hän­de ge­stützt, »es ist tö­richt, wenn ich dir die­se Din­ge von
mir von frü­her er­zäh­le. Ich könn­te schwei­gen oder könn­te lü­gen, aber ich will
es nicht. Warum soll ich dir nicht al­les sa­gen, was in mei­nem Le­ben war, und
warum soll ich mehr dar­aus ma­chen? Ich will lie­ber we­ni­ger dar­aus ma­chen, denn
es ist nur noch lä­cher­lich jetzt für mich, und ich ver­ste­he es nicht mehr, und
du sollst la­chen dar­über und mei­net­we­gen auch über mich.«
    Ra­vic sah sie an. Ih­re Knie preß­ten die großen, wei­ßen
Blü­ten ge­gen die Zei­tung, die er un­ter die Chrysan­the­men ge­scho­ben hat­te. Ei­ne
son­der­ba­re Nacht, dach­te er. Ir­gend­wo wird jetzt ge­schos­sen, und Men­schen
wer­den ge­jagt und ein­ge­sperrt und ge­quält und ge­mor­det, und ein Stück
fried­li­che Welt wird zer­tre­ten, und man ist da und weiß es und ist hilf­los, und
in den hel­len Bistros summt es von

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