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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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mit­neh­men?»
    «Klar»,
sagt Ge­org.
    Die
Röh­re steht an den Obe­lis­ken ge­lehnt, Knopfs Frei­luft-Pis­soir. Sie ist ei­ni­ge
Me­ter lang und am En­de recht­wink­lig ge­bo­gen. Ich ha­be plötz­lich einen Ein­fall.
«Las­sen Sie sie hier ste­hen», sa­ge ich. «Wir brau­chen sie noch.»
    «Wo­für?»
fragt Ge­org.
    «Für
heu­te abend. Du wirst es se­hen. Es wird ei­ne in­ter­essan­te Vor­stel­lung wer­den.»
    Hein­rich
Kroll ra­delt da­von. Ge­org und ich ste­hen vor der Tür und trin­ken ein Glas Bier,
das Frau Kroll uns durch das Kü­chen­fens­ter her­aus­reicht. Es ist sehr heiß. Der
Tisch­ler Wil­ke schleicht vor­bei. Er trägt ein paar Fla­schen und wird in ei­nem
mit Ho­bel­spä­nen aus­ge­pols­ter­ten Sarg sei­nen Mit­tags­schlaf hal­ten. Schmet­ter­lin­ge
spie­len um die Kreuz­denk­mä­ler. Die bun­te Kat­ze der Fa­mi­lie Knopf ist träch­tig.
«Wie steht der Dol­lar?» fra­ge ich. «Hast du te­le­fo­niert?»
    «Fünf­zehn­tau­send
Mark hö­her als heu­te mor­gen. Wenn es so wei­ter­geht, kön­nen wir Rie­sen­felds
Wech­sel mit dem Wert ei­nes klei­nen Hü­gel­steins be­zah­len.»
    «Wun­der­bar.
Scha­de, daß wir nichts da­von be­hal­ten ha­ben. Nimmt ei­nem et­was vom nö­ti­gen
En­thu­si­as­mus, was?»
    Ge­org
lacht. «Auch vom Ernst des Ge­schäf­tes. Ab­ge­se­hen von Hein­rich na­tür­lich. Was
machst du heu­te abend?»
    «Ich
ge­he nach oben; zu Wer­ni­cke. Da weiß man we­nigs­tens nichts vom Ernst und von
der Lä­cher­lich­keit des Ge­schäfts­le­bens. Dort oben geht es nur ums Da­sein. Im­mer
um das gan­ze Sein, um die vol­le Exis­tenz, um das Le­ben und nichts als das
Le­ben. Dar­un­ter gibt es nichts. Wenn man län­ge­re Zeit da leb­te, wür­de ei­nem
un­ser läp­pi­sches Ge­scha­cher um Klei­nig­kei­ten ver­rückt vor­kom­men.»
    «Bra­vo»,
er­wi­dert Ge­org. «Für die­sen Un­sinn ver­dienst du ein zwei­tes Glas eis­kal­tes
Bier.» Er nimmt un­se­re Glä­ser und reicht sie ins Kü­chen­fens­ter hin­ein. «Gnä­di­ge
Frau, bit­te noch ein­mal das­sel­be.»
    Frau
Kroll streckt ih­ren grau­en Kopf her­aus. «Wollt ihr einen fri­schen Roll­mops und
ei­ne Gur­ke da­zu?»
    «Un­be­dingt!
Mit ei­nem Stück Brot. Das klei­ne De­jeu­ner für je­de Art von Welt­schmerz»,
er­wi­dert Ge­org und reicht mir mein Glas. «Hast du wel­chen?»
    «Ein
an­stän­di­ger Mensch in mei­nem Al­ter hat im­mer Welt­schmerz», er­wi­de­re ich fest.
«Es ist das Recht der Ju­gend.»
    «Ich
dach­te, man hät­te dir die Ju­gend beim Mi­li­tär ge­stoh­len?»
    «Stimmt.
Ich bin im­mer noch auf der Su­che nach ihr, fin­de sie aber nicht. Des­halb ha­be
ich einen dop­pel­ten Welt­schmerz. So wie ein am­pu­tier­ter Fuß dop­pelt schmerzt.»
    Das
Bier ist wun­der­bar kalt. Die Son­ne brennt uns auf die Schä­del, und auf ein­mal
ist, trotz al­len Welt­schmer­zes, wie­der ei­ner der Au­gen­bli­cke da, wo man dem
Da­sein sehr dicht in die grün­gol­de­nen Au­gen starrt. Ich trin­ke mein Bier
an­däch­tig aus. Al­le mei­ne Adern schei­nen plötz­lich ein Son­nen­bad ge­nom­men zu
ha­ben. «Wir ver­ges­sen im­mer wie­der, daß wir nur kur­ze Zeit die­sen Pla­ne­ten
be­woh­nen», sa­ge ich. «Des­halb ha­ben wir einen völ­lig ir­ri­gen Welt­kom­plex. Den
von Men­schen, die ewig le­ben. Hast du das schon ge­merkt?»
    «Und
wie! Es ist der Kar­di­nal­feh­ler der Mensch­heit. An sich ganz ver­nünf­ti­ge Leu­te
las­sen grau­en­haf­ten Ver­wand­ten auf die­se Wei­se Mil­lio­nen von Dol­lars zu­kom­men,
an­statt sie selbst zu ver­brau­chen.»
    «Gut!
Was wür­dest du tun, wenn du wüß­test, daß du mor­gen ster­ben müß­test?»
    «Kei­ne
Ah­nung.»
    «Nein?
Gut, ein Tag ist viel­leicht ei­ne zu kur­ze Zeit. Was wür­dest du tun, wenn du
wüß­test, daß du in ei­ner Wo­che da­hin wä­rest?»
    «Im­mer
noch kei­ne Ah­nung.»
    «Ir­gend
was müß­test du doch tun! Wie wä­re es, wenn du einen Mo­nat Zeit hät­test?»
    «Ich
wür­de wahr­schein­lich so wei­ter­le­ben wie jetzt», sagt Ge­org. «Ich hät­te sonst
den gan­zen Mo­nat durch das elen­de Ge­fühl, mein Le­ben bis­her falsch ge­lebt zu
ha­ben.»
    «Du
hät­test einen Mo­nat Zeit, es zu kor­ri­gie­ren.»
    Ge­org
schüt­telt

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