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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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hei­te­rem Him­mel. «Und des­halb ver­steht ihr nichts mehr vom Ernst
des Le­bens.»
    Wir
star­ren sie maß­los ver­blüfft an. Das ist be­reits un­ver­kenn­bar Eduards Stil! Ich
füh­le, daß ich auf ver­lo­re­nem Bo­den kämp­fe, ge­be aber noch nicht auf.
    «Von
wem hast du das?» fra­ge ich. «Du Sy­bil­le über den dunklen Tei­chen der
Schwer­mut!»
    Ger­da
lacht. «Für euch ist das Le­ben im­mer gleich beim Grab­stein. So schnell geht das
nicht für an­de­re Men­schen. Eduard zum Bei­spiel ist ei­ne Nach­ti­gall!»
    Eduard
blüht über sei­ne fet­ten Ba­cken. «Wie ist es al­so mit dem Rehrücken?» fragt
Ger­da ihn.
    «Nun,
schließ­lich, warum nicht?»
    Eduard
ent­schwin­det. Ich se­he Ger­da an. «Bra­vo!» sa­ge ich. «Erst­klas­si­ge Ar­beit. Was sol­len
wir da­von hal­ten?»
    «Mach
nicht ein Ge­sicht wie ein Ehe­mann», er­wi­dert sie. «Freue dich ein­fach dei­nes
Le­bens, fer­tig.»
    «Was
ist das Le­ben?»
    «Das,
was ge­ra­de pas­siert.»
    «Bra­vo»,
sagt Ge­org. «Und herz­li­chen Dank für die Ein­la­dung. Wir lie­ben Eduard wirk­lich
sehr; er ver­steht uns nur nicht.»
    «Liebst
du ihn auch?» fra­ge ich Ger­da.
    Sie
lacht. «Wie kin­disch er ist», sagt sie zu Ge­org. «Kön­nen Sie ihm nicht ein
biß­chen die Au­gen dar­über öff­nen, daß nicht al­les im­mer sein Ei­gen­tum ist?
Be­son­ders, wenn er selbst nichts da­zu tut?»
    «Ich
ver­su­che fort­wäh­rend, ihn auf­zu­klä­ren», er­wi­dert Ge­org. «Er hat nur einen
Hau­fen Hin­der­nis­se in sich, die er Idea­le nennt. Wenn er erst ein­mal merkt, daß
das eu­phe­mis­ti­scher Ego­is­mus ist, wird er sich schon bes­sern.»
    «Was
ist eu­phe­mis­ti­scher Ego­is­mus?»
    «Ju­gend­li­che
Wich­tig­tue­rei.»
    Ger­da
lacht der­ar­tig, daß der Tisch zit­tert. «Ich ha­be das nicht, un­gern», er­klärt
sie. «Aber oh­ne Ab­wechs­lung er­mü­det es. Tat­sa­chen sind nun ein­mal Tat­sa­chen.»
    Ich
hü­te mich zu fra­gen, ob Tat­sa­chen wirk­lich Tat­sa­chen sei­en. Ger­da sitzt da,
ehr­lich und fest, und war­tet mit auf­ge­stemm­tem Mes­ser auf die zwei­te Por­ti­on
Rehrücken. Ihr Ge­sicht ist runder als frü­her; sie hat schon zu­ge­nom­men bei
Eduards Kost und strahlt mich an und ist nicht im min­des­ten ver­le­gen. Wes­halb
soll­te sie auch? Was für Rech­te ha­be ich tat­säch­lich schon an ihr? Und wer
be­trügt im Au­gen­blick wen? «Es ist wahr», sa­ge ich. «Ich bin mit egois­ti­schen
Ata­vis­men be­han­gen wie ein Fels mit Moos. Mea cul­pa!»
    «Recht,
Schatz», er­wi­dert Ger­da. «Ge­nie­ße dein Le­ben und den­ke nur, wenn es nö­tig ist.»
    «Wann
ist es nö­tig?»
    «Wenn
du Geld ver­die­nen mußt oder vor­wärts­kom­men willst.»
    «Bra­vo»,
sagt Ge­org wie­der. In die­sem Au­gen­blick er­scheint der Rehrücken, und das
Ge­spräch stockt. Eduard über­wacht uns wie ei­ne Bruthen­ne ih­re Kü­ken. Es ist das
ers­te­mal, daß er uns un­ser Es­sen gönnt. Er hat ein neu­es Lä­cheln, aus dem ich
nicht klug wer­de. Es ist voll von feis­ter Über­le­gen­heit, und er steckt es Ger­da
ab und zu heim­lich zu wie ein Ver­bre­cher je­man­dem einen Kas­si­ber im Ge­fäng­nis.
Aber Ger­da hat im­mer noch ihr al­tes, völ­lig of­fe­nes Lä­cheln, das sie un­schul­dig
wie ein Kom­mu­nion­kind mir zu­strahlt, wenn Eduard weg­sieht. Sie ist jün­ger als
ich, aber ich ha­be das Ge­fühl, daß sie min­des­tens vier­zig Jah­re mehr Er­fah­rung
hat. «Iß, Ba­by», sagt sie.
    Ich
es­se mit schlech­tem Ge­wis­sen und star­kem Miß­trau­en, und der Reh­bra­ten, ei­ne
De­li­ka­tes­se ers­ten Ran­ges, schmeckt mir plötz­lich nicht. «Noch ein Stück­chen?»
fragt Eduard mich. «Oder noch et­was Prei­sel­beer­so­ße?»
    Ich
star­re ihn an. Ich ha­be das Ge­fühl, als ha­be mein frü­he­rer
Re­kru­ten­un­ter­of­fi­zier mir vor­ge­schla­gen, ihn zu küs­sen. Auch Ge­org ist
alar­miert. Ich weiß, daß er nach­her be­haup­ten wird, der Grund für Eduards
un­glaub­li­che Frei­ge­big­keit sei die Tat­sa­che, daß Ger­da mit ihm be­reits
ge­schla­fen ha­be – aber das weiß ich die­ses Mal bes­ser. Rehrücken kriegt sie nur
so lan­ge, wie sie das noch nicht ge­tan hat. Wenn er sie erst hat, gibt es nur
noch Kö­nigs­ber­ger Klop­se mit

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