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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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er­wi­dert Va­len­tin nach­gie­big. «Nach dem Krie­ge wirst du auch schon dei­nen
Mann ge­stan­den und Schö­nes er­lebt ha­ben.»
    «In
die­sen Zei­ten?»
    «Ge­ra­de
in die­sen Zei­ten! Wenn der Mensch ver­zwei­felt ist, ist er leich­ter dem
Aben­teu­er zu­gäng­lich. Und ge­ra­de Her­zo­gin­nen, Prin­zes­sin­nen und Grä­fin­nen sind
in die­sen Jah­ren sehr ver­zwei­felt. In­fla­ti­on, Re­pu­blik, kei­ne kai­ser­li­che Ar­mee
mehr, das kann ein Ari­sto­kra­ten­herz schon bre­chen! Wie ist es mit ei­ner gu­ten
Fla­sche, Eduard?»
    «Ich
ha­be jetzt kei­ne Zeit», er­wi­dert Eduard geis­tes­ge­gen­wär­tig. «Tut mir leid,
Va­len­tin, aber heu­te geht es nicht. Wir ma­chen mit dem Klub einen Aus­flug.»
    «Gehst
du denn mit?» fra­ge ich.
    «Na­tür­lich!
Als Schatz­meis­ter! Muß ich doch! Dach­te vor­hin nicht dar­an! Pflicht ist
Pflicht.»
    Ich
la­che. Va­len­tin zwin­kert mir zu und sagt nicht, daß auch er mit­kommt. Eduard
lä­chelt, weil er glaubt, ei­ne Fla­sche ge­spart zu ha­ben. Al­les ist da­mit in
schöns­ter Har­mo­nie.
    Wir
bre­chen auf. Es ist ein herr­li­cher Abend. Wir ge­hen zur Bahn­stra­ße 12. Die
Stadt hat zwei Puffs, aber das an der Bahn­stra­ße ist das ele­gan­te­re. Es liegt
au­ßer­halb der Stadt und ist ein klei­nes Haus, das von Pap­peln um­ge­ben ist. Ich
ken­ne es gut; ich ha­be dort einen Teil mei­ner Ju­gend ver­bracht, oh­ne zu wis­sen,
was dort los war. An den schul­frei­en Nach­mit­tagen pfleg­ten wir in den Bä­chen
und Tei­chen vor der Stadt Mol­che und Fi­sche zu fan­gen und auf den Wie­sen
Schmet­ter­lin­ge und Kä­fer. An ei­nem be­son­ders hei­ßen Ta­ge ge­rie­ten wir auf der
Su­che nach ei­nem Gast­haus, um Li­mo­na­de zu trin­ken, in die Bahn­stra­ße 12. Die
große Gast­stu­be im Par­terre sah aus wie an­de­re Gast­stu­ben auch. Sie war kühl,
und als wir nach Sel­ters­was­ser frag­ten, be­ka­men wir es vor­ge­setzt. Nach ei­ner
Wei­le ka­men ein paar Frau­en in Mor­gen­rö­cken und blu­mi­gen Klei­dern da­zu. Sie
frag­ten uns, was wir mach­ten und in wel­cher Schul­klas­se wir wä­ren. Wir
be­zahl­ten un­se­re Sel­ters und ka­men am nächs­ten hei­ßen Ta­ge wie­der, dies­mal mit
un­se­ren Bü­chern, die wir mit­ge­bracht hat­ten, um im Frei­en am Bach un­se­re
Auf­ga­ben zu ler­nen. Die freund­li­chen Frau­en wa­ren wie­der da und in­ter­es­sier­ten
sich müt­ter­lich für uns. Wir fan­den es kühl und be­hag­lich, und da nach­mit­tags
nie­mand au­ßer uns kam, blie­ben wir sit­zen und be­gan­nen un­se­re Schul­ar­bei­ten zu
ma­chen. Die Frau­en sa­hen uns über die Schul­tern und hal­fen uns, als wä­ren sie
un­se­re Leh­rer. Sie ach­te­ten dar­auf, daß wir un­se­re schrift­li­chen Ar­bei­ten
mach­ten, sie kon­trol­lier­ten un­se­re Zen­su­ren, sie hör­ten uns ab, was wir
aus­wen­dig ler­nen muß­ten, und ga­ben uns Scho­ko­la­de, wenn wir gut wa­ren, oder
ge­le­gent­lich auch ei­ne mitt­le­re Ohr­fei­ge, wenn wir faul wa­ren. Wir dach­ten uns
nichts da­bei; wir wa­ren noch in dem glück­li­chen Al­ter, wo Frau­en ei­nem nichts
be­deu­ten. Nach kur­z­er Zeit nah­men die nach Veil­chen und Ro­sen duf­ten­den Da­men
Mut­ter- und Er­zie­her­stel­len bei uns ein; sie wa­ren voll bei der Sa­che, und wenn
wir nur in der Tür er­schie­nen, kam es schon vor, daß ein paar Göt­tin­nen in
Sei­de und Lack­schu­hen uns auf­ge­regt frag­ten: «Was war mit der Klas­sen­ar­beit in
Geo­gra­phie? Gut oder schlecht?» Mei­ne Mut­ter lag da­mals schon sehr viel im
Kran­ken­haus, und so ge­sch­ah es, daß ich einen Teil mei­ner Er­zie­hung im Puff von
Wer­den­brück er­hielt, und ich kann nur sa­gen, daß sie stren­ger war, als wenn ich
sie zu Hau­se ge­habt hät­te. Wir ka­men für zwei Som­mer, dann be­gan­nen wir zu
wan­dern und hat­ten we­ni­ger Zeit, und mei­ne Fa­mi­lie zog in einen an­de­ren Teil
der Stadt. Ich bin dann noch ein­mal im Krie­ge in der Bahn­stra­ße ge­we­sen. Das war
am Ta­ge, be­vor wir ins Feld muß­ten. Wir wa­ren knapp acht­zehn Jah­re alt, ei­ni­ge
noch un­ter acht­zehn, und die meis­ten von uns hat­ten noch nie mit ei­ner Frau
et­was ge­habt. Wir woll­ten aber nicht er­schos­sen wer­den,

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