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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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zu­ge­ben?»
    «Oh­ne
wei­te­res.»
    «Na,
al­so! Und was ha­ben wir heu­te?»
    «Un­ord­nung,
fünf Mil­lio­nen Ar­beits­lo­se, ei­ne Schwin­del­wirt­schaft, und wir sind ein
be­sieg­tes Volk», er­wi­de­re ich.
    Hein­rich
ist ver­blüfft. So leicht hat er sich das nicht ge­dacht. «Na al­so», wie­der­holt
er. «Heu­te sit­zen wir im Dreck, und da­mals sa­ßen wir im Fett. Die
Schluß­fol­ge­rung wer­den ja wohl auch Sie zie­hen kön­nen, wie?»
    «Ich
bin nicht si­cher. Was ist sie?»
    «Das
ist doch ver­dammt ein­fach! Daß wir wie­der einen Kai­ser und ei­ne an­stän­di­ge
na­tio­na­le Re­gie­rung ha­ben müs­sen!»
    «Halt!»
sa­ge ich. «Sie ha­ben et­was ver­ges­sen. Sie ha­ben das wich­ti­ge Wort ,weil‘
ver­ges­sen. Das aber ist der Kern des Übels. Es ist der Grund da­für, daß heu­te
Mil­lio­nen wie Sie mit hoch­er­ho­be­nen Rüs­seln wie­der sol­chen Un­sinn
her­um­trom­pe­ten. Das klei­ne Wort ,weil‘.»
    «Was?»
fragt Hein­rich ver­ständ­nis­los.
    «Weil!»
wie­der­ho­le ich. «Das Wort: ,weil‘! Wir ha­ben heu­te fünf Mil­lio­nen Ar­beits­lo­se,
ei­ne In­fla­ti­on, und wir sind be­siegt wor­den, weil wir vor­her Ih­re ge­lieb­te
na­tio­na­le Re­gie­rung hat­ten! Weil die­se Re­gie­rung in ih­rem Grö­ßen­wahn Krieg
ge­macht hat! Weil sie die­sen Krieg ver­lo­ren hat! Des­halb sit­zen wir heu­te in
der Schei­ße! Weil wir Ih­re ge­lieb­ten Holz­köp­fe und Uni­form­pup­pen als Re­gie­rung
hat­ten! Und wir müs­sen sie nicht zu­rück­ha­ben, da­mit es uns bes­ser ge­he, son­dern
wir müs­sen ver­hü­ten, daß sie wie­der­kom­men, weil sie uns sonst noch ein­mal in
Krieg und Schei­ße ja­gen. Sie und Ih­re Ge­nos­sen sa­gen: Frü­her ging’s uns gut,
heu­te geht’s uns schlecht – al­so wie­der her mit der al­ten Re­gie­rung! In
Wirk­lich­keit heißt es aber: Heu­te geht’s uns schlecht, weil wir frü­her die al­te
Re­gie­rung hat­ten – al­so zum Teu­fel mit ihr! Ka­piert! Das Wört­chen: Weil! Das
wird gern von Ih­ren Ge­nos­sen ver­ges­sen! Weil!»
    «Blöd­sinn!»
pol­tert Hein­rich auf­ge­bracht. «Sie Kom­mu­nist!»
    Ge­org
bricht in ein wil­des Ge­läch­ter aus. «Für Hein­rich ist je­der ein Kom­mu­nist, der
nicht stramm rechts ist.»
    Hein­rich
wölbt die Brust zu ei­ner ge­har­nisch­ten Ant­wort. Das Bild sei­nes Kai­sers hat ihn
stark ge­macht. In die­sem Au­gen­blick tritt Kurt Bach ein. «Herr Kroll», fragt
er, «soll der En­gel rechts oder links vom Text: ,Hier ruht Speng­ler­meis­ter
Quartz‘ ste­hen?»
    «Was?»
    «Der
En­gel im Re­li­ef auf dem Grab­stein Quartz.»
    «Rechts
na­tür­lich», sagt Ge­org. «En­gel ste­hen im­mer rechts.»
    Hein­rich
wird aus ei­nem na­tio­na­len Pro­phe­ten wie­der ein Grab­stein­ver­käu­fer. «Ich kom­me
mit Ih­nen», er­klärt er miß­mu­tig und legt das Gold­stück zu­rück auf den Tisch.
Kurt Bach sieht es und greift da­nach. «Das wa­ren Zei­ten», sagt er
schwär­me­risch.
    «Für
Sie al­so auch», er­wi­dert Ge­org. «Was für Zei­ten wa­ren es denn für Sie?»
    «Die
Zei­ten der frei­en Kunst! Brot kos­te­te Pfen­ni­ge, ein Schnaps einen Fün­fer, das
Le­ben war vol­ler Idea­le, und mit ein paar sol­cher Gold­füch­se konn­te man ins
ge­lob­te Land Ita­lia rei­sen, oh­ne Furcht, daß sie bei der An­kunft nichts mehr
wert sei­en.»
    Bach
küßt den Ad­ler, legt ihn zu­rück und wird wie­der zehn Jah­re äl­ter. Hein­rich und
er ent­schwin­den. Hein­rich ruft zum Ab­schied, düs­te­re Dro­hung auf sei­nem
ver­fet­te­ten Ge­sicht: «Köp­fe wer­den noch rol­len!»
    «Was
war das?» fra­ge ich Ge­org er­staunt. «Ist das nicht ei­ne der ver­trau­ten Phra­sen
Wat­zeks? Ste­hen wir et­wa vor ei­ner Ver­brü­de­rung der feind­li­chen Cous­ins?»
    Ge­org
sieht nach­denk­lich hin­ter Hein­rich her. «Viel­leicht», sagt er. «Dann wird es
ge­fähr­lich. Weißt du, was so hoff­nungs­los ist? Hein­rich war 1918 ein ra­bia­ter
Kriegs­geg­ner. In­zwi­schen hat er al­les ver­ges­sen, was ihn da­zu mach­te, und der
Krieg ist für ihn wie­der ein frisch­fröh­li­ches Aben­teu­er ge­wor­den.» Er steckt
das Zwan­zig­mark­stück in die Wes­ten­ta­sche. «Al­les wird zum Aben­teu­er, was man
über­lebt.

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