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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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kann’s euch nicht sagen. Das könnt ihr nicht von mir verlangen. Ihr müsst zu Dr. Pym gehen. Er ist der Einzige, der euch helfen kann. Es tut mir leid …«

    Er wollte aufstehen, aber Kate packte ihn am Ärmel.
    »Zeigen Sie uns wenigstens Ihr allerletztes Foto. Bitte!«
    Der alte Mann blinzelte ein paarmal überrascht. Dann humpelte er zu seinem Schreibtisch, schloss eine Schublade auf und zog eine einzelne alte Fotografie hervor. Mit zitternden Händen reichte er sie den Mädchen.
    Das Foto war dunkel und verschwommen. Es schien eine Gruppe Frauen zu zeigen, die am Rand der Schlucht entlangliefen. Viele der Gestalten hatten Fackeln dabei. Und so schlecht das Foto auch war, konnten Kate und Emma in der Haltung der Frauen deutlich ihre Angst und ihre Sorge spüren.
    Eine Tür schlug zu. Sie schauten auf und sahen, dass Abraham die Wendeltreppe zu seinem Schlafzimmer hinaufgegangen war und die Tür geschlossen hatte.
    »Komm«, sagte Kate, steckte das Foto in ihre Tasche und ging mit Emma aus dem Turm.
     
     
    Sie gingen hinunter in die Küche. Der Abend war angebrochen und sie hatten seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Im Ofen briet die Gans, und Miss Sallow war mit den Vorbereitungen für das Weihnachtsessen so beschäftigt, dass sie gar nicht auf die Idee kam, die Geschwister zu schelten, weil sie das Mittagessen verpasst hatten. Sie nahmen sich etwas Brot, Käse und Salami und gingen nach oben.
    Abraham hatte mit einem recht gehabt. Die Gräfin war eitel. Sie mussten sich durch Dutzende von Schnappschüssen kämpfen, die sie in Abendkleidern zeigten. Mit ihren Juwelen. Im Ruderboot. Beim Federballspiel mit ihrem merkwürdig aussehenden Sekretär. Gewöhnlich blickte sie neckisch in die Kamera,
als ob der Fotograf sie überrascht hätte. Und offensichtlich ließ sie sich am liebsten von links im Profil fotografieren.
    »Schau dir das hier an.« Emma saß auf dem Boden, umgeben von Fotos, und hielt eins hoch, auf dem die Gräfin kokett unter einem Sonnenschirm aus Spitze hervorblickte. »Ich habe dir doch gesagt, die ist hochnäsig.« Sie warf das Bild auf einen größer werdenden Haufen in der Ecke.
    Kate sortierte auf ihrem Bett Fotos aus, und wann immer sie auf das Bild eines Kreischers stieß, schob sie es schnell ganz unten in den Stapel. In den letzten beiden Tagen hatte sie den Gedanken daran, was Michael wohl durchmachen musste, in ihrem Kopf ganz nach hinten geschoben. Das war nötig, wenn sie weiterhin klar denken wollte. Aber jetzt, nachdem sie Abrahams Geschichte gehört hatte und die Bilder dieser Kreaturen mit ihren ausgefransten schwarzen Uniformen und den langen, schartigen Schwertern sah, überflutete die Angst ihr Herz. Angst um Michael. Sie kam zu dem Foto eines besonders gemein aussehenden Kreischers und schob unwillkürlich nicht nur das Bild, sondern den gesamten Stapel beiseite.
    Emma schnaubte und warf ein weiteres Foto in die Ecke.
    Das Buch lag neben Kates Knien. Sie fuhr kurz mit den Fingern über den smaragdgrünen Einband und dachte an ihre Vision von letzter Nacht. Hatte sie sich das bloß eingebildet? Sie öffnete das Buch und drückte ihre Finger auf eine leere Seite. Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. So klar und deutlich, als wäre sie selbst dort, sah sie das Dorf am Ufer des Flusses. Aber es war größer geworden. Jetzt gab es gepflasterte Straßen, eine Stadtmauer. Einen Marktplatz. Sie sah Männer und Frauen, die alle geschäftig hin und her eilten. Sie hörte ihre drängenden Stimmen.

    Sie blätterte die Seite um und legte wieder ihre Finger auf das Pergament. Eine riesige Armee marschierte eine Straße entlang und wirbelte eine gigantische Staubwolke auf. Sie hörte, wie die Soldaten mit den Speeren auf die Schilde hieben, hörte den rhythmischen Klang einer Trommel. Dahinter, in der Ferne, sah Kate das Dorf am Fluss. Es stand in Flammen. Sie keuchte auf und blätterte ein paar Seiten um. Die Armee verschwand. Sie sah eine Flotte von Segelschiffen auf dem Meer. Die Schiffe schaukelten auf den Wellen und die Segel knatterten im Wind. Sie hörte die Rufe der Matrosen, das Knallen der Seile, konnte fühlen, wie die Rümpfe der Schiffe schwer waren von der Last der Schätze von fernen Inseln. Sie blätterte wieder ein paar Seiten weiter. Jetzt sah sie Menschen, die flohen, während ein schwarzer Drache und ein roter Drache in der Luft über einer Stadt miteinander kämpften und dabei Feuer spuckten. Ineinander verschlungen stürzten sie herab, zerquetschten

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