Emil
erfüllte ihn, obgleich ihm auffiel, dass in der Palastfassade Ausbesserungen des Mauerputzes wie Krampfadern durchschienen. Als er sich im Schlaf im Bett umdrehte, berührte seine Hand Emils Schulter. Der träumte, er sei auf einem Schulausflug nach Jerusalem, der von einem Armeeoffizier geleitet wurde. Mittendrin wollte Emil umkehren, war sicher, dass er sich allein von Jerusalem nach Tel Aviv durchschlagen könne, wenn man ihn nur gehen ließe. Im Autobus sah er die Mutter eines seiner Klassenkameraden, die er um Erlaubnis bat, allein heimfahren zu dürfen, und sie sagte ihm, Allein geht nicht, ich fahre sowieso zurück, setzen wir uns ab, ohne dass der Soldat es merkt, und während der Offizier in eine Zeitung vertieft war, stiegen sie leise durch die hintere Tür des Autobusses aus, und er dachte gerade noch, wie merkwürdig, dass sie
ihn
nach Hause bringt, ihren Sohn aber zurücklässt. Und er murmelte etwas im Schlaf, das Zimmer war dunkel, nur auf dem Flur flimmerte ein schwaches Licht, Joel vernahm das Gemurmel und zog im Schlaf die Decke an sich, und der sanierungsbedürftige Buckingham-Palast verwandelte sich in den Mailänder Dom, den er einmal mit Lea besichtigt hatte, ›noch bevor du auf der Welt warst‹, und jemand sagte ihm, Sehen Sie, was wir
hinter
der Kirche haben, und er sagte zu Lea, Ich bin gleich zurück, ich gehe mit dem Herrn da, und der Herr führte ihn an der Hand die hohe Wand der Kathedrale entlang und dann durch die Wand, die sich als hohl entpuppte, immer weniger Touristen waren zu sehen, es ging nur langsam voran und schien, als würde die erstrebte Ecke nie kommen, und Joel fragte ihn im Traum auf Italienisch, Wann ist die Wand zu Ende? Erst dann merkte er, dass sie in der Wand auf einer Art Wägelchen fuhren, und der Signor bog scharf nach rechts, und da war das zerrissene rote Klebeband, und jemand sagte ihm, man habe hier in Italien Löwenknochen gefunden, Was sagen Sie dazu. Im Schlaf hörte Emil den kurzen Aufschrei, den Joel beim Anblick des Löwen von sich gab. Und er selbst war eine mit grobem Salz bedeckte Marionette. Flog durch die Wolken. Am Morgen würde ihm Papa den Traum deuten: Das war wegen der Aufführung, die ihr vorige Woche in Jerusalem gesehen habt. Er träumte, er verwandle sich allmählich in eine Holzmarionette, und sein Vater ziehe an den Fäden, aber das erzählte er Joel nicht. Und was hast du im Traum gesagt, fragte ihn Joel, während er Preiselbeermarmelade auf eine Scheibe Brot schmierte und sie ihm reichte, Emil dachte einen Augenblick nach und sagte dann plötzlich: Papa, nimm mich auf den Arm, und Joel entfuhr etwas wie ein erstauntes, flaues
Was
?, und Emil sagte, er erinnere sich jetzt, dass ihm die Fäden gerissen seien.
Herzlichen Glückwunsch und ein erfülltes Leben
[ ] – Emil
Später würde sie sich an blendendes Licht und Motorenlärm erinnern. Das war während der Reise. War es ein Autobus? Ein Schiff? Wäre der Nahe Osten ein Stadtviertel, könnte man sagen, ihre Familie sei aus der Kairo-Straße in die Jaffa-Straße übersiedelt. In die Stadt Jaffa also.
Als Anwar Sadat kam, um den Duft des Landes Israel einzuatmen, anders gesagt: sich Land zurückzuholen, stellte das Büro des Premierministers eine Delegation von Landsleuten zusammen. Will heißen: von Bürgern ägyptischer Herkunft. Man dachte, sie sollten dem Präsidenten erzählen, wie gut es ihnen in ihrem neuen Land gehe. Man dachte, beim Klang von ein wenig ägyptischem Arabisch würden die Augen Seiner Exzellenz sich vor Rührung verschleiern, und er würde auf ein paar Quadratmeter verzichten. Die Abgesandten aus Begins Kanzlei schwärmten aus, um eilig ägyptische Juden aus ganz Israel zusammenzuholen. In der Presse wurde ausführlich darüber berichtet. Manche von ihnen hatten noch nie von Anwar Sadat gehört und dachten, Nasser sei König. Manche hatten Angst zu kommen, wer weiß, vielleicht würde man sie dorthin zurück verschleppen oder ihren zurückgebliebenen Verwandten etwas antun.
Auch zu [ ] und [ ] nach Hause kamen sie. Klopften an die Tür. Damals wohnten sie noch nicht in der Wohnung gegenüber dem Busbahnhof, sondern etwas weiter im Süden zwischen Jaffa und Tel Aviv in einer Straße, die statt eines Namens eine Nummer trug. Die Abgesandten kamen, klopften an die Tür. Guten Tag, Frau [ ], sprach man sie in ägyptischem Arabisch an, um ihren Akzent zu prüfen (das fehlte gerade noch, dass man Seiner Exzellenz Aschkenasim vorführte, die Arabisch auf der
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