Emily, allein
wie gern du diese Suppen isst. Ich hab sie bloß in die Mikrowelle gestellt. Wenn sie zu heiß ist, kann ich einen Eiswürfel reintun.»
«Nein», sagte Emily. «Danke.»
«Iss», sagte Arlene und versuchte sich an einem jüdischen Akzent, «die tut dir richtig gut.»
Sie hatte recht - die Brühe war kräftig und salzig -, doch beim Schlucken brannte Emily jedes Mal die Kehle. Es kostete sie große Mühe, und sie entschuldigte sich.
«Ist schon in Ordnung», erwiderte Arlene. «Iss bloß, was du runterkriegst. Vielleicht essen wir anschließend Eis, na, wie hört sich das an?»
Es machte ihr zu viel Spaß, die Krankenschwester zu spielen, und doch war es für Emily eine Riesenerleichterung, die letzten Reste ihrer Würde abzustreifen und sich Arlene zu überlassen. Emily hatte keine Kraft mehr und ließ Arlene das mostfarbene Fläschchen öffnen und ihre Pille herauskippen, einen bedrohlichen braunen Football. Arlene reichte ihr ein Glas Wasser und nahm es ihr wieder ab, als Emily fertig war, entzifferte dann die Anweisungen für das Nasenspray, sodass Emily nur zweimal draufzudrücken, den Inhalt in die Nase zu ziehen und das Spray zurückzugeben brauchte, bevor sie wieder einschlief.
Als sie später im Dunkeln erwachte, teilte sie Arlene mit, dass sie nicht über Nacht bleiben müsse. Arlene lachte. Das habe sie auch nicht getan. Es sei schon Morgen. Sie habe Emilys Schlüssel mitgenommen und zu Hause geschlafen. Wenn sie hungrig sei, könne sie ihr Haferbrei machen.
«Danke», sagte Emily.
Sie glaubte, dass sie die Entzündung rechtzeitig bemerkt hatten und sich ihr Gesundheitszustand, sobald sie einen Grundstock gelegt hatte, mit jeder Levaquin-Tablette bessern werde. In einem Punkt hatte sie recht - es war erst der Anfang.
Sie hatte vergessen, was es bedeutete, krank zu sein. Die Tage waren konturlos, ihr Zimmer eine Höhle. Arlene machte es ihr zu einfach, sie zog die Jalousien hoch, schloss die Vorhänge und nahm Rufus mit nach unten. Wenn das Telefon klingelte, hob Arlene ab. Wenn die Post kam, brachte Arlene sie mit Emilys Mittagessen herauf. Es war die dunkelste Zeit des Jahres, in der nur die eintreffenden Samenkataloge ihr Kraft gaben, und jetzt besaß sie nicht genug Energie, um sie zu lesen. Von den Pillen bekam sie Durchfall und verlor jeglichen Appetit. Sie hatte einen üblen Geschmack im Mund, und der Gaumen war mit getrocknetem Schleim überzogen. Auf ihrem Nachttisch sammelten sich wild wuchernde Blüten benutzter Papiertaschentücher und Gläser mit abgestandenem Wasser. Henry lief dem Taxi nach, sie lief ihm nach, und sein Trenchcoat flatterte hinter ihm wie ein Umhang. Manchmal lief leise das Radio, wenn sie aufwachte, und manchmal kam es ihr nur so vor, und imaginäre Violen säuselten Phantasien, die ihre eigenen Ohren komponiert hatten. Erstmals seit einer Ewigkeit versäumte sie die Kirche, genau wie das Kreuzworträtsel, und dann, am Dienstag, erwachte sie unausgeschlafen in einem neuen Jahr. Eher mit spöttischem Erstaunen als Selbstmitleid stellte sie fest, dass die Zeit buchstäblich an ihr vorübergegangen war.
«Du hast deinen Humor wieder», sagte Arlene und kontrollierte das Thermometer. «Das ist ein gutes Zeichen.»
«Wahrscheinlich», sagte Emily, obwohl sie sich gar nicht bemühte, witzig zu sein.
Sie hatte es satt, im Bett zu liegen, und drängte Arlene, sie in Morgenrock und Hausschuhen nach unten gehen und mit der Zeitung am Frühstückstisch sitzen zu lassen, während Arlene das Mittagessen zubereitete - Käsetoast mit Tomatensuppe. Die Herdplatte war voller Fettflecke, und am nächsten Tag sollte Betty kommen. Aus Gewohnheit feuchtete Emily einen Schwamm an.
«Setz dich», sagte Arlene, als spräche sie mit einem ihrer Schüler. «Willst du wieder ins Bett?»
«Mir geht’s schon viel besser», sagte Emily, doch ihre Stimme war immer noch heiser.
«Das freut mich. Trink jetzt deinen Saft.»
«Hast du beim Weihnachtsbaum Wasser nachgefüllt?»
«Heute früh, als ich die Pflanzen gegossen habe.»
Es fiel Emily schwer, sich vorzustellen, dass in ihrem Haus etwas ohne ihr Wissen vor sich ging, und so dankbar sie auch war, unterschwellig war es auch ein Affront. Es gab so wenig, das sie ihr Eigen nennen konnte.
Unterm Tisch legte Rufus den Kopf auf ihr Knie, als hungerte er nach Aufmerksamkeit. Als sie gegessen hatten, lief er vor ihr her nach oben und kuschelte sich ans andere Ende des Bettes, wo der Sprungrahmen dem grauen Licht, das durch die Fenster
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