Emily, allein
sprach sie das Thema hin und wieder an, doch genau wie bei ihrem Testament war es Kenneth und Margaret unangenehm, darüber zu sprechen. Vermutlich hielten die beiden sie für morbide oder von einer fixen Idee besessen. Emily konnte es ihnen nicht begreiflich machen: Ihre Wünsche ein für alle Mal zum Ausdruck zu bringen war beruhigend. Sie vertraute darauf, dass die beiden sie respektieren würden. Damit es keine Verwirrung gab, schickte sie Gordon jedes Mal, wenn sie etwas änderte, eine Kopie zur sicheren Aufbewahrung. Die Bach-Toccata, das Präludium von Buxtehude, das Libera Me aus Durufles Requiem. Allein die Abfolge der Stücke war so herzerwärmend wie eine angenehme Erinnerung. Schade war bloß, dass sie nicht da sein würde, um die Musik zu hören.
Sie fuhren die Forbes Avenue entlang, durch Carnegie-Mellon, die großen Plätze und die sich kreuzenden Wege auf dem Campus nach den Verbindungspartys am vorigen Abend menschenleer. In Oakland waren die Restaurants geschlossen. Stoßstange an Stoßstange, füllten die alten Volvos und Camrys der Studenten jede verfügbare Parklücke aus.
Die Church of the Ascension war ein gedrungenes Gebäude aus schwarzem Stein, versteckt hinter der stattlicheren St. Paul’s Cathedral in der Fifth Avenue, und nur ein paar Straßen entfernt von Webster Hall, günstig gelegen für die Mitglieder ihres Kreises, die aus Squirrel Hill, Edgewood und Fox Chapel hergezogen waren. Emily kannte den Parkplatz gut, weil sie dort jahrelang die Kinder abgesetzt hatte, wenn sie mit dem Bus zum Calvary Camp fuhren. Hier, so nah an der Universität, war das Land zu teuer. Vorn war kaum genug Platz für die beiden Charterbusse, sodass sie mit der Schnauze halb auf dem Gehsteig standen; die enge Gasse, die an der Seite entlanglief, war eine Feuerwehrzufahrt, hinten gab es bloß drei kümmerliche Reihen Parkplätze - direkt an der Wand für Behinderte, die mittlere Reihe reserviert für Geistliche und Kirchenvorstand, und die Gemeindemitglieder mussten sich um die Plätze am Zaun streiten oder die Straßen durchkämmen. Sogar im Sommer, während der Semesterferien der Universität, musste Henry das Warnblinklicht einschalten und in der verkehrsreichen Ellsworth Avenue in der zweiten Reihe parken, während die Betreuer mit anpackten, um Kenneths und Margarets Staukisten und Schlafsäcke zum geöffneten Frachtraum des Busses zu schleppen.
Diesmal bot die Kirche einen Parkservice an. In der Nähe der Treppe standen zwei Bedienstete in zueinander passenden Jacken und Strickmützen neben einer Reihe von orangefarbenen Pylonen.
«Das ist klug», sagte Arlene.
Emily war zwar froh, keinen Parkplatz suchen zu müssen, hatte aber noch nie jemanden den Subaru fahren lassen und übergab die Schlüssel nicht ohne Bedenken. Sie wusste auch nicht genau, ob sie Eindollarscheine hatte, um dem Mann hinterher ein Trinkgeld zu geben, und ärgerte sich aus Prinzip über die Unannehmlichkeit. So etwas konnte sie ihren Gästen hoffentlich ersparen. Niemand würde etwas bezahlen müssen, um sich von ihr zu verabschieden.
Die Treppen waren tückisch, weil man zu viel Salz gestreut hatte, und die Körner knirschten wie zersplittertes Sicherheitsglas unter ihren Schuhen. Arlene klammerte sich ans Geländer, als wäre es eine Rettungsleine, während Emily sie am Ellbogen stützte. Ein Kirchendiener sah ihre Schwierigkeiten und öffnete ihnen die schwere Tür.
Als Emily die schummrige Vorhalle betrat, wurde sie vom Bassgebrumm der Orgel und der stickigen, nach Talg riechenden Luft umhüllt, was bei ihr eine reinigende Ehrfurcht hervorrief. Ihr gefiel die Vorstellung, die Welt und ihr schlechtes Ich abzuschütteln, wenn auch nur für kurze Zeit. Sie waren früh dran, die Bänke noch fast unbesetzt. Auf allen Seiten verstärkte das Gewölbe das leise Stimmengemurmel, ein Husten, das Schlurfen von Schuhen auf dem Marmor. Sie ließ sich von einem Kirchendiener ein Programm geben, schritt zusammen mit Arlene den Gang entlang und musterte die vereinzelten Trauergäste, während sie sich nach einem guten Platz umschauten. Myra Frost und Barbara Chase drehten sich zu ihnen um, als sie vorbeigingen, und Emily nickte zur Begrüßung. Peggy Stevenson war mit Bev Howard da, und zwei Reihen weiter, doch immer noch in respektvollem Abstand zur ersten Reihe, saßen Rand und Graceann Beers, braun gebrannt von ihrer Ferienwohnung in Delray Beach, ihre Zähne unnatürlich weiß.
«Ich bin erstaunt, dass noch niemand von der Familie
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