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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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denken!«
    »Doch etwas mehr, als du an mich gedacht hast«, sagte er leise. »Ich hörte erst kürzlich von deiner Heirat, Cathy, und während ich unten im Hof wartete, habe ich mir folgenden Plan zurechtgelegt: ich wollte nur eben dein Gesicht sehen, einen Blick der Überraschung vielleicht und gespielter Freude darin; danach wollte ich meine Rechnung mit Hindley begleichen und dann dem Gesetz zuvorkommen, indem ich das Urteil selbst an mir vollstreckte. Deine Bewillkommnung hat mir diese Gedanken aus dem Sinn geschlagen. Aber hüte dich, mir das nächste Mal auf andere Art zu begegnen! Nein, du wirst mich nicht wieder vertreiben. Habe ich dir wirklich leid getan, ja? Nun, Grund genug dazu war vorhanden. Ich habe ein hartes Leben durchkämpft, seit ich deine Stimme zuletzt gehört habe, und du musst mir verzeihen, denn ich habe nur für dich gekämpft.«
    »Catherine, wenn unser Tee nicht kalt werden soll, komm bitte zu Tisch«, unterbrach Linton. Dabei bemühte er sich, seinen gewöhnlichen Tonfall und einen gebührenden Grad von Höflichkeit beizubehalten. »Mr. Heathcliff hat noch einen weiten Weg vor sich, einerlei, wo er heute übernachten mag, und ich habe Durst.«
    Sie nahm ihren Platz vor der Teemaschine ein, Miss Isabella kam, von der Tischglocke gerufen, und ich verließ, nachdem ich ihre Stühle an den Tisch herangeschoben hatte, das Zimmer. Die Mahlzeit dauerte kaum zehn Minuten. Catherines Tasse blieb leer; sie konnte weder essen noch trinken. Edgar verschüttete etwas Tee in seine Untertasse und aß kaum einen Bissen.
    Der Gast blieb an jenem Abend nur noch eine Stunde. Als er aufbrach, fragte ich, ob er nach Gimmerton ginge.
    »Nein, nach Wuthering Heights«, antwortete er. »Mr. Earnshaw hat mich eingeladen, als ich ihn heute früh besuchte.«
    Mr. Earnshaw hat ihn eingeladen! und er hat Mr. Earnshaw besucht! Schmerzlich erwog ich diesen Satz, nachdem er gegangen war. Wird er sich als Heuchler entpuppen, der ins Land kommt, um unter einem Deckmantel Unheil zu stiften? Ich überlegte und hatte im Grunde meines Herzens das Gefühl, er wäre besser weggeblieben.
    Etwa um Mitternacht wurde ich aus meinem ersten Schlummer durch Mrs. Linton geweckt, die in mein Zimmer gehuscht war, sich auf meinen Bettrand setzte und mich an den Haaren zog, um mich munter zu machen.
    »Ich finde keine Ruhe, Ellen«, sagte sie wie zur Entschuldigung. »Und ich brauche ein Wesen, das mir in meinem Glück Gesellschaft leistet! Edgar schmollt, weil ich mich über etwas freue, wofür er nichts übrig hat; er macht den Mund nur auf, um zu nörgeln und alberne Reden zu halten, und er behauptet, es wäre grausam und selbstsüchtig, zu sprechen, wenn er sich elend und müde fühle. Er hat es fein heraus, bei der geringsten Unannehmlichkeit den Kranken zu spielen. Ich sagte ein paar lobende Worte über Heathcliff, da begann er in einem Anfall von Eifersucht oder weil er Kopfschmerzen hatte, zu weinen; zuletzt bin ich aufgestanden und habe ihn allein gelassen.«
    »Was hat es für einen Zweck, Heathcliff vor ihm zu loben?« antwortete ich. »Als Jungen konnten sie einander nicht leiden, und Heathcliff würde es genausowenig vertragen können, wenn man den anderen lobte; das ist menschlich. Lassen Sie Mr. Linton mit ihm in Ruhe, wenn Sie es nicht zu einem offenen Streit zwischen den beiden kommen lassen wollen.«
    »Aber ist das nicht ein Zeichen von großer Schwäche?« fuhr sie fort. »Ich missgönne niemand etwas. Ich gräme mich nie über den Glanz von Isabellas blondem Haar, die Zartheit ihrer Haut, ihre zierliche Anmut und die Aufmerksamkeit, die die ganze Familie ihr erweist. Selbst du, Nelly, stehst Isabella sofort bei, wenn wir einmal verschiedener Meinung sind, und ich gebe nach, wie eine schwache Mutter, nenne sie Liebling und bringe sie durch Schmeicheleien wieder in gute Laune. Ihrem Bruder gefällt es, wenn wir uns gut vertragen, und das wieder freut mich. Aber sie sind sich sehr ähnlich: verwöhnte Kinder, die sich einbilden, die Welt sei geschaffen, damit sie bequem leben können; obwohl ich beiden ihren Willen lasse, glaube ich, dass eine derbe Strafe ihnen recht heilsam wäre.«
    »Sie irren sich, Mrs. Linton«, sagte ich. »Die beiden lassen Ihnen den Willen. Ich weiss, was geschehen würde, wenn sie es nicht täten. Sie können es sich wohl leisten, ihren vorübergehenden Launen nachzugeben, solange sie es als ihre Pflicht betrachten, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie könnten jedoch einmal über

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