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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Isabella am Nachmittag mit sich nach Wuthering Heights nahm. Sie wiederum überschüttete ihn zur Belohnung mit so viel Liebreiz und Zärtlichkeit, dass das Haus mehrere Tage lang ein Paradies war und sich Herr und Gesinde gleichermaßen des beständigen Sonnenscheins erfreuten.
    Heathcliff — Mr. Heathcliff sollte ich in Zukunft sagen machte von der Erlaubnis, Thrushcross Grange zu besuchen, anfänglich mit Vorsicht Gebrauch: er schien abzuwägen, wieweit der Besitzer dort sein Eindringen zulassen werde. Auch Catherine hielt es für ratsam, ihre Freudenausbrüche zu mäßigen, wenn sie ihn empfing, und nach und nach betrachtete er es als sein Recht, erwartet zu werden. Er hatte noch viel von der Zurückhaltung an sich, die ihm als Knabe eigen war, und sie befähigte ihn dazu, alle überraschenden Gefühlsäusserungen zu unterdrücken. Die Unruhe meines Herrn legte sich, und bald wurde sie in eine andere Richtung gelenkt.
    Die neue Quelle seiner Sorgen entsprang dem unvorhergesehenen Missgeschick, dass Isabella Linton eine plötzliche und unwiderstehliche Zuneigung zu dem geduldeten Gast fasste. Sie war damals eine reizende junge Dame von achtzehn Jahren, kindlich in ihrem Wesen, doch mit einem klaren Verstand, starkem Gefühl und auch sehr leidenschaftlich, wenn sie gereizt wurde. Ihr Bruder, der sie zärtlich liebte, war entsetzt über diese unmögliche Neigung. Ganz abgesehen von der Erniedrigung, die eine Verbindung mit einem namenlosen Mann bedeutet hätte, und der Möglichkeit, dass in Ermangelung männlicher Erben sein Vermögen einmal in solche Hände geraten könnte, war er klug genug, Heathcliffs Charakteranlage zu durchschauen; er erkannte, dass, obwohl sein Äusseres verändert war, sein Wesen unwandelbar und unverwandelt war. Er fürchtete diesen Charakter, der ihn abstiess, und ahnungsvoll schrak er vor dem Gedanken zurück, ihm Isabella anzuvertrauen. Er wäre noch entsetzter gewesen, wenn er gewusst hätte, dass ihre Zuneigung ungebeten wuchs und sich verschenkte, obwohl ihr Gefühl nicht erwidert wurde. Im Augenblick, als er das Vorhandensein dieses Gefühls entdeckte, beschuldigte er Heathcliff im stillen, diese Liebe vorsätzlich geweckt zu haben, um sie für seine geheimen Pläne auszunutzen.
    Seit einiger Zeit hatten wir alle beobachtet, dass Miss Linton sich über etwas grämte und verzehrte. Sie wurde mürrisch und war schwierig zu behandeln, gab Catherine schnippische Antworten und quälte sie dauernd, trotz der drohenden Gefahr, ihre begrenzte Geduld einmal zu erschöpfen. Wir entschuldigten sie bis zu einem gewissen Grade, weil sie zu kränkeln schien: sie wurde immer weniger und schwand vor unseren Augen dahin. Eines Tages war sie besonders launisch, sie schickte ihr Frühstück zurück und beklagte sich, die Dienstboten hätten nicht getan, was sie ihnen aufgetragen hätte, die gnädige Frau ließe sie im Hause gar nicht gelten, und Edgar vernachlässigte sie; sie hätte sich erkältet, weil man die Türen offen gelassen hätte, und wir hätten das Feuer im Wohnzimmer absichtlich ausgehen lassen, um sie zu ärgern, und viele andere noch geringfügigere Dinge. Mrs. Linton bestand ganz entschieden darauf, dass sie zu Bett gehen sollte, und nachdem sie sie herzhaft gescholten hatte, drohte sie, nach dem Arzt zu schicken. Die Erwähnung von Doktor Kenneth veranlasste Isabella sofort, zu versichern, sie sei ganz gesund, nur Catherines Härte mache sie so unglücklich.
    »Wie kannst du sagen, dass ich hart bin, du verwöhntes Geschöpf«, rief die gnädige Frau, durch die unvernünftige Behauptung überrascht. »Du bist wohl von Sinnen! Wann bin ich hart gewesen? Sage mir das!«
    »Gestern«, schluchzte Isabella, »und eben jetzt.«
    »Gestern?« sagte ihre Schwägerin. »Bei welcher Gelegenheit?«
    »Bei unserem Spaziergang durchs Moor. Du sagtest mir, ich sollte mich tummeln, wo ich wollte, während du mit Mr. Heathcliff dahinschlendertest!«
    »Und das nennst du Härte?« sagte Catherine lachend. »Ich wollte damit gar nicht sagen, dass du uns lästig wärst; es war uns gleichgültig, ob du mit uns gingst oder nicht. Ich dachte nur, Heathcliffs Gespräch wäre nicht unterhaltsam genug für dich.«
    »O nein«, weinte die junge Dame, »du wolltest mich fort haben, weil du wusstest, dass ich gern dageblieben wäre!«
    »Ist sie richtig im Kopf?« fragte Mrs. Linton, sich an mich wendend. »Ich werde dir unsere Unterhaltung Wort für Wort wiederholen, Isabella, und dann sag mir, welchen Reiz

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