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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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die Unterschrift kam, seufzte sie. Ich erriet jedoch, dass sie seine Bedeutung nicht erfasst hatte; denn auf meine Bitte um eine Antwort wies sie nur auf den Namen und schaute mich in trauriger und fragender Verwunderung an.
    »Ja, er möchte Sie sehen«, sagte ich, denn ich erriet, dass sie einen Dolmetscher nötig hatte. »Er steht im Garten und wartet ungeduldig auf die Antwort, die ich ihm bringen soll.« Während ich sprach, bemerkte ich, dass der große Hund, der unten auf dem sonnigen Rasen lag, die Ohren spitzte, als ob er bellen wollte, sie wieder zurücklegte und durch ein Wedeln des Schwanzes bekundete, dass sich jemand näherte, den er kannte. Mrs. Linton beugte sich vor und lauschte atemlos. Einen Augenblick später hörte man Schritte in der Halle: die offene Haustür war eine zu große Versuchung für Heathcliff — er konnte nicht widerstehen einzutreten. Wahrscheinlich vermutete er, ich hätte die Absicht, mein Versprechen nicht zu halten, und entschloss sich daher, sich auf seine eigene Kühnheit zu verlassen. Mit gespannter Erwartung blickte Catherine zur Tür. Er fand nicht sogleich das richtige Zimmer, und sie machte eine Bewegung, dass ich ihn einlassen sollte; bevor ich zur Tür gelangen konnte, fand er sich zurecht, war in ein bis zwei langen Schritten an ihrer Seite und hielt sie mit seinen Armen umschlungen.
    Während der nächsten fünf Minuten sprach er kein Wort, lockerte auch seinen Griff nicht und überschüttete sie mit mehr Küssen, als er jemals in seinem Leben verschenkt haben mochte; aber meine Herrin hatte ihn auch zuerst geküsst, und ich sah deutlich, dass er es, von Schmerz übermannt, kaum über sich bringen konnte, ihr ins Gesicht zu blicken. Im Augenblick, als er sie sah, wusste er ebensogut wie ich, dass keine Aussicht auf Genesung mehr war, dass das Schicksal sie gezeichnet hatte, dass sie sterben musste.
    »O Cathy, o mein Leben! Wie soll ich es ertragen?« war das erste, was er sagte, in einem Ton, der seine Verzweiflung nicht zu verbergen suchte. Und dann schaute er sie so schwermütig an, dass ich glaubte, allein die Eindringlichkeit seines Blickes müsse ihm Tränen in die Augen treiben; sie brannten in Schmerz, blieben aber trocken.
    »Was denn?« sagte Catherine, lehnte sich zurück und gab seinen Blick mit plötzlich umwölkter Stirn zurück; denn ihre Stimmung war, gleich einer Wetterfahne, ständigem Wechsel unterworfen. »Du und Edgar, ihr habt mir das Herz gebrochen, Heathcliff. Und nun kommt ihr beide und betrauert die Tat vor mir, als wenn ihr diejenigen wäret, denen Mitleid gebührt. Ich werde euch nicht bemitleiden, bestimmt nicht. Ihr habt mich getötet — ihr habt es erreicht. Wie stark du bist! Was meinst du, wieviel Jahre wirst du noch leben, wenn ich tot bin?«
    Heathcliff hatte sich, um sie zu umarmen, auf ein Knie niedergelassen; er versuchte sich aufzurichten, aber sie packte ihn beim Haar und drückte ihn nieder.
    »Ich wollte, ich könnte dich halten«, fuhr sie schmerzlich fort, »bis wir beide tot wären. Ich würde mich nicht darum kümmern, ob du leidest. Deine Leiden sind mir gleichgültig. Warum solltest du nicht ebenso wie ich leiden? Wirst du mich vergessen? Wirst du glücklich sein, wenn ich unter der Erde liege? Wirst du in zwanzig Jahren sagen: Dies ist das Grab von Catherine Earnshaw. Vor langer Zeit habe ich sie geliebt und war unglücklich über ihren Tod. Aber das ist vorüber. Ich habe seither viele andere geliebt; meine Kinder sind mir teurer, als sie es war, und wenn ich sterbe, werde ich mich nicht darauf freuen, zu ihr zu kommen, sondern werde traurig darüber sein, dass ich die Kinder verlassen muss. Wirst du so sprechen, Heathcliff?«
    »Willst du mich so lange foltern, bis ich so wahnsinnig bin wie du?« schrie er zähneknirschend und befreite seinen Kopf gewaltsam.
    Die beiden boten einem unbeteiligten Dritten ein seltsam schauerliches Bild. Catherine mochte glauben, dass der Himmel für sie ein Ort der Verbannung sein würde, wenn sie mit ihrem sterblichen Körper nicht auch ihr sterbliches Wesen abstreifen konnte. In diesem Augenblick spiegelte sich in ihren bleichen Zügen, in den blutleeren Lippen und funkelnden Augen wilde Rachsucht wider, und in ihren verkrampften Fingern hielt sie ein Büschel Haare, die sie Heathcliff ausgerissen hatte. Er wiederum hatte sich beim Aufstehen auf eine Hand gestützt und mit der anderen ihren Arm mit so wenig Zartheit gepackt, dass ich trotz ihrem Zustande vier deutliche Abdrücke

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