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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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auf ihrer farblosen Haut gewahrte, als er sie losließ. »Bist du vom Teufel besessen«, fuhr er wild auf, »dass du so mit mir sprechen kannst, wenn du dem Tode nahe bist? Hast du dir überlegt, dass diese Worte sich in mein Gedächtnis einbrennen und sich immer tiefer hineinfressen werden, nachdem du mich verlassen hast? Du weisst, dass du lügst, wenn du sagst, ich hätte dich getötet, und, Catherine, du weisst, dass ich dich ebensowenig vergessen kann wie mich selber. Genügt es deiner teuflischen Selbstsucht nicht, dass ich mich in Höllenqualen winden werde, während du deinen Frieden hast?«
    »Ich werde keinen Frieden haben«, stöhnte Catherine, zum Bewusstsein ihrer körperlichen Schwäche zurückgerufen durch das heftige, unregelmäßige Klopfen ihres Herzens, das bei diesem Übermaß von Aufregung sichtbar und hörbar schlug. Sie sagte nichts, bis der Anfall vorüber war, dann fuhr sie freundlicher fort: »Ich wünsche dir keine grösseren Qualen, als ich leide, Heathcliff. Ich wünschte nur, wir würden nie getrennt, und wenn dich von nun an ein Wort von mir betrübt, dann denke daran, dass ich unter der Erde den gleichen Kummer empfinde, und vergib mir um meinetwillen. Komm wieder zu mir und knie wieder hin. Du hast mir nie in deinem Leben ein Leid zugefügt. Aber wenn du zornige Gedanken hegst, wird die Erinnerung daran schlimmer sein als an meine harten Worte. Willst du nicht wieder herkommen? Komm doch, bitte!«
    Heathcliff trat hinter die Lehne ihres Stuhles und beugte sich darüber, aber nicht so weit, dass sie sein Gesicht sehen konnte, das bleich vor innerer Bewegung war. Sie drehte sich herum, um ihn anzusehen; er wollte es nicht zulassen, wendete sich schroff ab und ging zum Kamin, wo er, mit dem Rücken zu uns, schweigend stehenblieb. Mrs. Lintons Augen folgten ihm argwöhnisch, jede Bewegung weckte in ihr eine neue Empfindung. Nach einer Pause und einem langen Blick wandte sie sich an mich und sagte im Ton zorniger Enttäuschung: »Siehst du, Nelly, er gäbe keinen Schritt breit nach, um mich vor dem Grabe zu bewahren. So werde ich geliebt! Nun, es schadet nichts. Das ist nicht mein Heathcliff. Ich werde meinen trotzdem lieben und ihn mit mir nehmen: er ist in meiner Seele. Und«, fügte sie nachdenklich hinzu, »was mich am meisten bedrängt, ist am Ende dieses traurige Gefängnis. Ich bin es müde, so müde, hier eingeschlossen zu sein. Ich sehne mich danach, in jene herrliche Welt zu entfliehen und immer dort zu sein; ich möchte sie nicht verschwommen durch Tränen sehen und nicht mit wehem Herzen danach schmachten, sondern mit ihr und in ihr sein. Nelly, du denkst, du bist besser daran und glücklicher als ich, in voller Gesundheit und Kraft; du bedauerst mich; das wird sehr bald anders sein. Ich werde dich bedauern. Ich werde unvergleichlich weit und hoch über euch allen stehen. Ich wüsste gern, ob er mir nahe sein wird«, fuhr sie wie zu sich selbst fort. »Ich glaube, er wäre gern bei mir. Lieber Heathcliff, du solltest jetzt nicht trotzig sein. Komm zu mir, Heathcliff.«
    In ihrem Eifer erhob sie sich und stützte sich auf die Lehne ihres Stuhles. Auf ihre flehentliche Bitte hin wandte er sich mit vollkommen verzweifeltem Ausdruck nach ihr um. Seine weit geöffneten, nun endlich mit Tränen gefüllten Augen blitzten sie leidenschaftlich an, und seine Brust hob und senkte sich krampfhaft. Einen Augenblick verweilten sie so, dann — wie sie zusammenkamen, ich kann es kaum sagen — machte Catherine einen Schritt auf ihn zu, er fing sie auf, und sie fanden sich in einer Umarmung, aus der meine Herrin, wie ich glaubte, nie lebend hervorgehen würde, und wirklich schien mir, als sei sie bewusstlos. Er warf sich mit ihr in den nächsten Sessel, und als ich hastig näher kam, um zu sehen, ob sie ohnmächtig war, fletschte er die Zähne nach mir, schäumte wie ein tollwütiger Hund und zog sie voll gieriger Eifersucht an sich. Er schien kein menschliches Wesen mehr zu sein; er machte den Eindruck, als verstünde er mich nicht, wenn ich mit ihm spräche; darum hielt ich mich in einiger Entfernung und schwieg in großer Verwirrung.
    Eine Bewegung, die Catherine machte, beruhigte mich gleich darauf; sie hob ihren Arm, um ihn um seinen Nacken zu schlingen, und drückte ihre Wange an seine, während er sie hielt. Er wiederum bedeckte sie mit hemmungslosen Liebkosungen und sagte leidenschaftlich: »Du lehrst mich jetzt erkennen, wie grausam du gewesen bist, grausam und falsch. Warum hast du

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