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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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mich verschmäht? Warum hast du dein eigenes Herz verraten, Cathy? Ich habe kein Wort des Trostes. Du verdienst dein Schicksal, du hast dich selbst getötet. Wohl magst du mich küssen und weinen und mir Küsse und Tränen entlocken — sie werden dich vernichten sie werden dich verdammen. Du hast mich geliebt: — wer gab dir dann das Recht, mich zu verlassen? Wer gab es dir — antworte mir! —, um der armseligen Zuneigung willen, die du für Linton fühltest? Nicht Elend, Erniedrigung und Tod und nichts, was Gott oder Satan uns zufügen konnten, hätte uns trennen dürfen. Du, du tatest es aus freiem Willen. Ich habe dir nicht das Herz gebrochen, du hast es gebrochen, und damit hast du auch meines gebrochen. Das ist um so schlimmer, weil ich stark bin. Will ich denn leben? Was für ein Leben wird das sein, wenn du o Gott! Möchtest du leben, wenn deine Seele im Grabe liegt?«
    »Lass mich, lass mich!« schluchzte Catherine. »Wenn ich Unrecht getan habe, so sterbe ich dafür. Es ist genug! Du hast mich auch verlassen; aber ich will dich nicht tadeln. Ich verzeihe dir, verzeihe du mir auch!«
    »Es ist schwer, zu verzeihen und in diese Augen zu blicken und diese welken Hände zu spüren«, antwortete er. »Küss mich wieder und lass mich deine Augen nicht sehen. Ich verzeihe, was du mir angetan hast. Ich liebe meinen Mörder, aber deinen, wie kann ich das?«
    Sie schwiegen, ihre Gesichter aneinandergeschmiegt und von ihren Tränen benetzt; jedenfalls glaube ich, dass sie beide weinten, da Heathcliff bei einer seelischen Erschütterung wie dieser anscheinend zu weinen vermochte.
    Allmählich wurde es mir sehr unbehaglich zumute; denn der Nachmittag war weit vorgeschritten; der Mann, den ich fortgeschickt hatte, kam von seinem Gang zurück, und ich konnte beim Schein der Abendsonne im Tal sehen, wie sich aus dem Kirchenportal in Gimmerton die Menschen hervordrängten. »Der Gottesdienst ist zu Ende«, verkündete ich. »Mein Herr wird in einer halben Stunde hier sein.«
    Heathcliff stiess einen Fluch aus und drückte Catherine fester an sich; sie bewegte sich nicht.
    Bald danach sah ich eine Gruppe des Gesindes die Straße entlang auf den Wirtschaftsflügel zugehen. Nicht weit hinter ihnen kam Mr. Linton; er öffnete die Pforte und schlenderte langsam herauf. Er schien den lieblichen Nachmittag zu geniessen, der so mild war wie im Sommer.
    »Jetzt ist er hier!« rief ich aus. »Um des Himmels willen, beeilen Sie sich, dass Sie hinunterkommen! Sie werden auf der Vordertreppe niemandem begegnen. Schnell, schnell, und bleiben Sie zwischen den Bäumen stehen, bis er vollends drinnen ist.«
    »Ich muss gehen, Cathy«, sagte Heathcliff und versuchte, sich den Armen seiner Gefährtin zu entwinden. »Aber wenn ich am Leben bin, werde ich dich wiedersehen, bevor du einschläfst. Ich werde mich nicht weiter als fünf Meter von deinem Fenster entfernen.«
    »Du sollst nicht gehen«, antwortete sie und hielt ihn so fest, wie ihre Kräfte es ihr erlaubten. »Du sollst nicht, sage ich dir!«
    »Nur für eine Stunde«, bat er dringend.
    »Nicht für eine Minute«, entgegnete sie.
    »Ich muss — Linton wird gleich oben sein«, beharrte der bestürzte Eindringling.
    Er wollte aufstehen und versuchte dabei, den Griff ihrer Finger zu lösen; aber sie klammerte sich keuchend fest, wahnsinnige Entschlossenheit in den Zügen.
    »Nein!« schrie sie. »Oh, geh nicht, geh nicht! Es ist das letzte Mal! Edgar wird uns nichts tun, Heathcliff; ich werde sterben!«
    »Verdammter Narr! Da ist er!« rief Heathcliff und sank auf den Stuhl zurück. »Ruhig, mein Liebling! Ruhig, ruhig, Catherine! Ich bleibe. Wenn er mich so erschiessen würde ich stürbe mit einem Segen auf meinen Lippen.«
    Und wieder hielten sie sich umschlungen. Ich hörte meinen Herrn die Treppe heraufkommen — kalter Schweiss lief mir über die Stirn —, ich war entsetzt.
    »Werden Sie wirklich auf die Rasende hören?« sagte ich in plötzlichem Zorn. »Sie weiss nicht, was sie sagt. Wollen Sie sie zugrunde richten, weil sie den Verstand nicht hat, sich selbst zu helfen? Stehen Sie auf! Sie könnten sofort frei sein! Das ist die teuflischste Tat, die Sie je vollbracht haben. Wir sind alle verloren, der Herr, die gnädige Frau und ich.« Ich rang die Hände und schrie auf, und Mr. Linton beschleunigte seinen Schritt bei dem Lärm. Inmitten meiner Aufregung war ich aufrichtig erleichtert, als ich bemerkte, dass Catherines Arm herabgesunken war und ihr Kopf kraftlos zur Seite

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