Emma - endlich vom Glück umarmt
bewunderte ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
„Ihnen ist bewusst“, fragte er sanft, „dass Ihr Ruf dahin ist, wenn Sie entdeckt werden?“
Nun schnaubte sie wirklich verächtlich. „Als wenn Sie das kümmerte! Ihnen als Frauenheld und Verführer unschuldiger Mädchen ist der Ruf anderer doch gleichgültig.“
Da sie nicht völlig unrecht hatte, zuckte er leicht zusammen. „Nein, unschuldige Mädchen verführe ich nicht, höchstens, dass ich hier und da unverschämt flirte.“ Er unterbrach sich, dann fügte er hinzu: „Außer, die Dame lädt nachgerade dazu ein, Ms. Stockton.“
Erschreckt fuhr sie auf. „Woher wissen Sie …?“
„Eine logische Schlussfolgerung. Ich kenne keine andere Dame, die mich hier aufsuchen würde – von Ihrer Schwester abgesehen, aber deren Stimme ist ein wenig höher und kindlicher. Oder meiner Schwester – die verheiratet ist, wenn auch nicht sehr respektabel.“
Der Gedanke an seine Schwester, die wirklich einen Lebemann erster Güte geheiratet hatte, verdüsterte seine Miene. Sosehr er sich der Liaison widersetzt hatte, gegen Juliets Willensstärke hatte er sich nicht durchsetzen können. Diese Frau, die da vor ihm saß, besaß die gleiche Willenskraft.
„Der Gatte Ihrer Schwester ist nicht schlimmer als Sie, Mr. Hawthorne. Zumindest hat er sich nie mit einem Mädel abgegeben, das gerade aus dem Schulzimmer entlassen war.“
„Einem wie Ihre Schwester.“
„Genau.“
„Und wenn ich nun ehrliche Absichten hätte?“
„Selbst wenn es so wäre, sind Sie nicht eben eine empfehlenswerte Partie. Zwar haben Sie Erfolg, doch Leute, die Handel treiben, gelten im ton nicht unbedingt als salonfähig. Obwohl es Ihnen anscheinend nicht geschadet hat.“
Charles’ Amüsement verflog allmählich. „Sagen Sie, warum sind Sie eigentlich hergekommen? Mich in meinem Haus aufzusuchen ist für Sie viel rufschädigender, als Geschäfte zu machen für mich. Da ich einer angesehenen Familie angehöre, müsste ich Schlimmeres tun als das, damit die Gesellschaft mich ausschließt.“
Da sie scharf den Atem einsog, wusste er, dass er ins Schwarze getroffen hatte, doch es bereitete ihm kaum Befriedigung, denn er wollte sie nicht kränken, obwohl sie seinen wunden Punkt berührt hatte. Er brachte es allerdings auch nicht über sich, ihre Bemerkung einfach hinzunehmen. „Vielleicht hat Sie gar jemand erkannt. Ich wusste sofort, wer Sie sind.“
„Sie hörten mich sprechen.“
„Das ist richtig.“ Er ließ sie in dem Glauben. „Da ich nun Ihre Identität kenne und niemand ohne meine Aufforderung hier eindringen wird, könnten Sie Ihren Schleier lüften. Wenigstens möchte ich Ihr Gesicht sehen, wenn Sie mich beleidigen.“
Eine ganze Weile schwieg sie, dann entfernte sie die Vermummung. Wütend sah sie ihn an. Sie hatte wunderschöne graue Augen, aus denen sie ihm unter fein geschwungenen dunklen Brauen hervor giftige Blicke zuschleuderte.
Als wäre der Raum plötzlich erstickend heiß, öffnete sie den Kragen ihres schweren Umhangs. Darunter trug sie ein züchtig ausgeschnittenes schwarzes Kleid.
„Ist es so angenehm?“ In ihrer vollen Altstimme klangen Abneigung und Spott an.
„Außerordentlich.“
Mit sinnlichem Vergnügen ließ Charles seinen Blick auf der samtigen cremeweißen Haut ihrer Kehle ruhen und stellte sich vor, wie es wäre, sie zu berühren. Doch dann runzelte er die Stirn. An ihrem Hals fehlte etwas. „Ihr Perlenhalsband! Ich habe Sie noch nie ohne Ihre Perlen gesehen.“
Blitzschnell raffte sie den Kragen des Umhangs zusammen und schloss ihn wieder. „Welchen Schmuck ich trage, geht Sie nichts an.“
Forschend sah er sie an. Natürlich ging es ihn nichts an, doch ihre Reaktion sprach Bände. Bestimmt war das Collier für die Spielschulden ihres Bruders geopfert worden, nur würde sie ihm das niemals eingestehen, deshalb ging er nicht weiter darauf ein.
„Ich nehme an, der Zweck Ihres Besuches ist, mir nahezulegen, dass ich mich von Ihrer Schwester fernhalte.“
„So könnte man denken“, antwortete sie bissig.
Was aber dann, fragte er sich. Unmöglich konnte sie wegen des Duells gekommen sein. Kein Ehrenmann erwähnte das einer Frau gegenüber. Das gehörte sich einfach nicht. „Ja, so könnte man denken“, wiederholte er ihre Worte. Er selbst würde ganz gewiss kein Wort über die Auseinandersetzung im Club verlieren.
„Allerdings“, fuhr sie höhnisch fort, „ist das nicht Ihre einzige Verfehlung meiner Familie gegenüber.“
Sie
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