Emma traut sich was
werden. Manchmal bin ich sogar im Schulbus noch total verpennt. Komisch, oder?
Als ich aus dem Dachfenster schaute, wurde ich allerdings ziemlich schnell wach. Gesa stand unten auf der Apfelwiese und machte ihre Yogaübungen. Das war eigentlich noch nicht besonders aufregend, schließlich tut sie das jeden Morgen. Aber an diesem Morgen war sie nicht allein. Es machte noch jemand mit. Erst dachte ich, ich hätte mich vielleicht verguckt. Ich kniff die Augen ganz fest zusammen. Vielleicht schlief ich ja noch und träumte mal wieder wirres Zeug ...
Aber als ich die Augen aufmachte, sah ich immer noch dasselbe Bild. Es war kein Traum, sondern Wirklichkeit: Oma machte mit Gesa zusammen Yoga!
Sie trug eine weite Pluderhose und eine ihrer bunten, geblümten Blusen und hatte keine Schuhe an. Ihr Gesicht war knallrot und ich konnte sie bis oben zum Dachfenster schnaufen hören. Gesa machte gerade so eine Art Gymnastikübung mit ihr, die scheinbar ganz schön anstrengend war. Vielleicht war die Übung aber auch nur für Oma anstrengend. Sie ist nämlich nicht besonders sportlich. Eigentlich macht sie nie Sport. Darum ist sie vermutlich auch so dick. Ob sie Yoga machte, weil sie abnehmen wollte? Oder um Gesa einen Gefallen zu tun? Vielleicht hatte Gesa sie ja auch einfach überrumpelt. Genau! Oma hatte nicht schnell genug Nein gesagt und schwups! – schon hatte Gesa sie nach draußen auf die Apfelwiese gezerrt und ihr etwas vorgeturnt. Jetzt tat mir Oma fast ein bisschen Leid. Es musste schrecklich sein, diese Verrenkungen mitmachen zu müssen, wenn man eigentlich überhaupt keine Lust dazu hatte.
Als ich in die Küche kam, waren Gesa und Oma gerade fertig mit ihrer Yogastunde.
»Ich geh duschen«, sagte Gesa und verschwand ins Badezimmer.
Oma saß am Küchentisch, der schon fürs Frühstück gedeckt war, und trank in langen Zügen ein Glas Wasser. Ihr Gesicht war immer noch ziemlich rot und auf ihrer Stirn glänzten Schweißperlen. Sie sah aus, als hätte sie gerade einen Marathonlauf hinter sich. Als das Wasserglas leer war, goss sie sich gleich noch ein zweites ein. Ich setzte mich ihr gegenüber an den Tisch und nahm mir eine Scheibe von Gesas selbst gebackenem Leinsamenbrot. Ich brauchte dringend mal eine Abwechslung von dem ständigen Müsli.
»Ich hab gar nicht gewusst, ... dass Yoga ... so anstrengend ist«, schnaufte Oma und trank noch einen großen Schluck Wasser. »Beim Zugucken sieht es immer so locker und entspannt aus.«
»Warum hast du denn überhaupt mitgemacht?«, fragte ich und schmierte mir dick Erdbeermarmelade auf mein Brot. »Ich dachte, du findest Yoga blöd. Gesa hat dich gezwungen, stimmt's? Mir kannst du's ruhig sagen. Sie kann einen manchmal ganz schön überrumpeln, was?«
Omas Gesicht wurde noch ein bisschen röter. »Äh ... na ja ... eigentlich ...«, druckste sie herum. »Also, genau genommen war es eher so, dass ich Gesa gefragt habe, ob sie mir mal ein paar Übungen zeigt.«
»Waaas?«, rief ich und ließ fast meine Marmeladenschnitte fallen. »Du hast freiwillig mitgemacht?«
Oma nickte.
»Warum das denn? Ich dachte, wenigstens du bist noch normal und machst diesen Quatsch nicht mit! Du hast selbst gesagt, dass das alles bloß Firlefanz ist.«
»Na ja, vielleicht war ich da etwas voreilig. Schließlich ist Yoga eine jahrtausendealte Bewegungslehre. Mit regelmäßigem Training kann man Körper und Geist damit auch im Alter jung und gesund erhalten ...«
»Du klingst schon wie Gesa!«, unterbrach ich sie mit vollem Mund. »Pass lieber auf, dass du keinen Herzinfarkt kriegst, so wie du vorhin geschnauft hast.«
Gleich danach tat es mir Leid, dass ich das gesagt hatte. Das war ganz schön gemein gewesen. Und ich wollte natürlich auf keinen Fall, dass Oma einen Herzinfarkt bekam.
»Tja, ich bin nun mal leider nicht besonders fit«, gab Oma zu. »Noch ein Grund, von jetzt an etwas mehr für meine Gesundheit zu tun.«
Ich traute meinen Ohren kaum. Das klang überhaupt nicht nach Oma. Ich legte das Marmeladenbrot zurück auf meinen Teller, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und sah sie scharf an.
»Warum willst du denn plötzlich was für deine Gesundheit tun? Was ist eigentlich los mit dir?«
Oma machte ein unschuldiges Gesicht und zuckte mit den Schultern. »Mit mir? Gar nichts! Was soll denn los sein? Ist doch normal, dass man in meinem Alter versucht, ein bisschen was für sich zu tun. Schließlich bin ich nicht mehr die Jüngste. Herr Pauli hat auch gesagt, seit er
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