Emma traut sich was
her!«
Herr Pauli, unser Dorfpfarrer, tauchte in der Eingangstür auf. Er trug einen knallroten Trainingsanzug und Turnschuhe. Ich kriegte fast den Mund nicht mehr zu, als ich ihn in diesem Aufzug sah.
»Das sind Emma, meine Enkelin, und ihr Freund Bastian«, sagte Oma. »Und das ist Gerhard Pauli.«
»Wir kennen uns doch schon, Oma«, sagte ich.
Mama und Papa gehen zwar so gut wie nie in die Kirche, aber Herr Pauli hatte uns mal besucht, als wir gerade erst nach Tupfingen gezogen waren. Da hatte ich ihn ein bisschen langweilig gefunden. Aber vielleicht war er ja gar nicht so langweilig. In seinem Trainingsanzug sah er eigentlich ziemlich sportlich aus. Auf jeden Fall sportlicher als Oma. Und dass er Yoga macht, hätte ich auch nicht gedacht. Ich war mir bloß noch nicht ganz sicher, ob das gut oder schlecht war.
»Hallo, Emma«, sagte er. »Wie geht's denn so?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ganz gut.«
»Toll, was deine Mutter und ihre Bekannte hier alles auf die Beine stellen. Ein echter Gewinn für Tupfingen, dieses Gesundheitszentrum. Macht ihr beide auch beim Wochenend-Yoga mit?«
Ich schüttelte schnell den Kopf. »Nee, bestimmt nicht. Außerdem müssen wir jetzt los. Also dann, viel Spaß noch!«
Jetzt kamen nach und nach auch die anderen Kursteilnehmer aus dem Haus. Ich zog Bastian um die Hausecke, ehe Mama und Gesa auftauchten und mit ihrer Yogastunde anfingen. Spätestens wenn alle auf dem Rasen saßen und vor sich hin brummten, würde Bastian merken, dass er zwischen lauter Verrückten gelandet war. Und dann würde aus unserem ersten Kuss heute garantiert nichts mehr werden.
»Ich wusste gar nicht, dass deine Mutter Yogakurse gibt«, sagte Bastian, während er hinter mir durch den Garten lief.
»Das macht sie auch noch nicht so lange«, erklärte ich. »Genau genommen erst seit einer Woche. Außerdem gibt Gesa die Yogakurse. Mama will Malkurse anbieten, wenn das Gesundheitszentrum erst mal so richtig in Schwung gekommen ist.«
»Und deine Oma und ihr Freund machen da auch mit?«, fragte Bastian.
»Herr Pauli ist doch nicht Omas Freund!«, rief ich. »Herr Pauli ist unser Dorfpfarrer.«
»Ach so ... na ja, ich dachte nur ... Irgendwie sah es so aus, als ob ...«, druckste Bastian herum.
»Als ob was?«, fuhr ich ihn an.
Bastian zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ist ja auch egal. Du weißt natürlich besser über deine Oma Bescheid als ich.«
»Genau«, sagte ich.
Wir gingen zu der kleinen Bank ganz hinten im Garten. Ich wusste selbst nicht so genau, warum ich so biestig zu Bastian war. Eigentlich lag er ja gar nicht so falsch. Vermutlich hatte sich Oma tatsächlich ein bisschen in Pfarrer Pauli verknallt. Dafür konnte Bastian nun wirklich nichts. Ich sollte ein bisschen netter zu ihm sein. Schließlich hatte er noch nicht mal eine blöde Bemerkung zu Omas komischer Gymnastikhose gemacht. Das war echt nett von ihm gewesen.
Wir setzten uns nebeneinander auf die Bank. Hier war es ganz still. Abgesehen vom Zwitschern der Vögel, natürlich. Und vom Brummen der Yogagruppe. Zum Glück waren wir so weit von der Apfelwiese entfernt, dass es nur ganz leise zu hören war. Ich beschloss, es einfach nicht zu beachten.
Ich rutschte ein bisschen näher an Bastian heran und überlegte, wie ich das mit dem Küssen am besten anfangen sollte. Vielleicht hätte ich vorher mit Lea eine kleine Übungsstunde abhalten sollen. Ich beschloss, es so wie Lea zu machen und Bastian einfach ohne Vorwarnung einen Kuss auf die Lippen zu drücken.
Ich holte wieder tief Luft und spitzte die Lippen – aber dann tauchte plötzlich das Bild von Lea in meinem Kopf auf. Lea, wie sie Tim küsst. Und Tims erschreckter Blick. Ihm hatte der Kuss kein bisschen gefallen. Was, wenn Bastian mein Kuss auch nicht gefallen würde? Vielleicht fand er es ja total eklig, mich zu küssen. Bei dem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut.
Ich atmete wieder aus. Mist, so wurde das nie was. Außerdem musste ich so langsam mal was sagen. Schließlich konnten wir nicht den ganzen Nachmittag hier herumsitzen und schweigen. Nachher fand Bastian mich noch total langweilig.
»Ich glaube, Lea hat sich in Tim verknallt«, platzte es aus mir heraus.
Im nächsten Moment hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen.
Bastian sah mich überrascht an. »Echt?«, fragte er. »Und ist Tim auch in sie verknallt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nö, ich glaub nicht. Der interessiert sich nur für seinen Computer.«
»Schade, dabei ist Lea
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