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Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Emmas Geheimnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Balfour
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Wir haben unsere Tickets ja schon vor Wochen im Internet gebucht«, sagte Becca.
    »Es ist ein Segen, dieses Internet«, bestätigte Karen. »Sind Sie auf Facebook? Wir sind beide auf Facebook, es ist herrlich. Wir haben alle unsere Schulkameraden wiedergefunden. Na ja, fast alle. Einige sind schon tot. Wir könnten uns befreunden, wenn Sie auch auf Facebook sind. Diese Tour hier haben wir auch im Internet gefunden.« Sie zog mich am Arm zum Tourguide, um zu fragen, ob ich noch teilnehmen konnte. Er lud mich mit großer Geste ein.
    »Eine Einheimische, umso besser«, rief er begeistert.
    In der nächsten Stunde erfuhr ich mehr über meine Heimatstadt und ihren Hafen, als ich für möglich gehalten hatte. Zweieinhalb Millionen Iren waren von hier in hundert Jahren ausgewandert – zwischen 1848 und 1950 –, weil sie auf ein besseres Leben in Amerika gehofft hatten. Einige von ihnen waren als Passagiere auf der Titanic gewesen.
    »Die Unterbringung in der dritten Klasse auf der Titanic war nicht nur besser als die der anderen Passagierschiffe. Sie bot auch weit mehr Komfort als die Häuser, die diese Menschen hinter sich ließen«, sagte der Tourguide. »Man kann nur ahnen, wie groß die Hoffnungen auf ein besseres Leben gewesen sein müssen.« Er erzählte von den Zuständen in Irland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Von den Krankheiten, an denen besonders Säuglinge und Kleinkinder starben, von dem Dreck, in dem die Armen lebten, von Arbeitslosigkeit und Hunger und von den Verheißungen der Neuen Welt.
    Wir gingen durch Cobh, in dem sich seit dem Auslaufen der Titanic vor hundert Jahren nicht viel verändert hatte, wie er behauptete. »Natürlich müssen Sie sich die Stromkabel wegdenken. Und die Autos.« Er lachte. »Aber die Häuser und Straßen, das alles gab es damals schon. Und dieses Kopfsteinpflaster hier, darüber sind schon Ihre Vorfahren gelaufen. Damals hieß es noch Queenstown, und zwar bis 1922.« Immer wieder sah er Becca, Karen und die anderen amerikanischen Touristen bedeutsam an.
    Natürlich erzählte er viel von den technischen Eckdaten der Titanic und wie sie gebaut worden war, zeigte Fotografien, die überall in Cobh aushingen, präsentierte Kopien alter Zeitungen, malte ein lebendiges Bild von den reichen Passagieren der ersten Klasse, von den Berühmtheiten, die an Bord waren, von dem Luxus, der dort geherrscht hatte. Schließlich kam er auf die Katastrophe zu sprechen.
    »Sie haben alle den Film gesehen, nehme ich an. Dann wissen Sie ja, wie das war mit dem Eisberg. Nachts um zwanzig vor zwölf kam es zum Zusammenstoß, und von den über zweitausendzweihundert Menschen starben mehr als eintausendfünfhundert. Warum? Weil es zu wenig Rettungsboote gab. Weil die Crew sich damit nicht auskannte. Es gab Boote, in die passten vierzig Menschen. Sie ließen sie schon zu Wasser, als noch nicht einmal die Hälfte drin war. Sie wussten es nicht besser. Selbst wenn sie die Boote nach ihren Kapazitäten ausgenutzt hätten, wäre nur etwa die Hälfte der Passagiere gerettet worden.«
    »Und die Band, spielte die wirklich bis zum Schluss? Oder war das nur so im Film?«, fragte Karen.
    »Die spielte bis zum Schluss. Keiner der Musiker überlebte. Man hatte sie angewiesen, fröhliche Songs zu spielen, um eine Massenpanik zu verhindern. Das hatten sie leider so gut geschafft, dass viele aus der ersten Klasse die Rettungsmaßnahmen nicht ernst nahmen und keine Schwimmwesten anlegen wollten, weil sie dachten, es handele sich um eine Übung.«
    »Was war mit denen aus der dritten Klasse?« Wieder Karen.
    »Oh. Von denen überlebten natürlich die wenigsten. Ich sage ›natürlich‹, weil es dafür verschiedene Gründe gab. Zum einen hatten sie keinen Zugang zum Deck. Sie durften während der regulären Überfahrt nicht an Deck. Deshalb kannten sie gar nicht den Weg dorthin. Viele der Gänge, die nach oben führten, waren auch verriegelt, selbst dann noch, als das Schiff schon zu sinken begann. Hinzu kam, dass es kein Notrufsystem, keine Lautsprecher oder so etwas gab. Sie erfuhren also erst, was geschehen war, als jemand von der Mannschaft sie informierte. Sie können sich vorstellen, welche Priorität die dritte Klasse hatte … Aber das war nicht alles. Viele dort waren Ausländer aus anderen europäischen Ländern. Sie verstanden kaum Englisch und wussten nicht, was zu tun war.«
    Die meisten Opfer waren Männer, da man Frauen und Kindern den Vortritt gegeben hatte. Doch während alle Kinder der ersten und

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