Emmas Story
sie so was sagen?
Auf alle Fälle werde ich das Hintergrundbild ändern, sobald mein Rechner einmal so lange hochgefahren bleibt wie es dafür Zeit braucht.
»Ich schalt das Ding jetzt ab und warte darauf, dass der Computerfritze kommt«, entscheide ich spontan, tue die paar raschen Schritte zum Schreibtisch und beuge mich vor.
»Halt!«
Ich zucke zusammen. Nicht nur wegen ihres scharfen Tonfalls, sondern auch wegen ihrer Hand auf meiner Hand. So plötzlich kommt diese Berührung, dass sie meine Haut erschreckt wie eiskaltes Wasser.
»Weißt du, ich hatte so was auch schon mal. Hatte mir ein Virus gefangen. Und das hat meine feste Platte durchgewühlt wie nichts. Manche Sachen hat es gefressen: Schluck, war es weg. Die Sachen futschikato.«
»Das macht nichts«, erwidere ich und ziehe langsam meine Hand zurück. Vielleicht ist es nicht kaltes Wasser, das sich so anfühlt. Vielleicht ist es eher etwas heißes, sehr heißes, das so wirken würde. »Ich habe alles auf Diskette.«
»Das war es ja«, Lu nimmt ebenfalls ihre Hand wieder zu sich und legt sie einfach auf ihr Knie, als hätte es die kleine Berührung gar nicht gegeben. Es war ja auch nichts Besonderes. Sie hatte mich nur davon abhalten wollen, meinen Rechner auszuschalten. Das war alles. »Die Disketten waren alle … wie nennt man das? Korrupt. Genau wie die, von der du gerade erzählt hast.«
Das macht mich nun doch kribbelig.
Wir testen eine Diskette nach der anderen.
Und irgendetwas stimmt nicht mit ihnen. Manche lassen sich erst gar nicht öffnen.
Vielleicht liegt das aber auch an meiner alten Computer-Möhre, denn die bleibt dummerweise nicht lange genug hochgefahren, um herauszufinden, was da nicht stimmen könnte.
»Tja, da scheinst du dir aber mächtig was eingefangen zu haben«, kommentiert Lu die verfahrene Situation. »Hauptsache, du hast deine dicke Doktorarbeit schön im Aktenordner!«
Sie sieht mich an und runzelt die Stirn, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht.
»Du hast doch von allem, was du so verzapft hast, einen Ausdruck gemacht, oder?«
Meine Handflächen sind bereits klitschnass.
»So gut wie«, murmele ich und spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht schießt.
»Emma, das glaube ich jetzt nicht!«, sagt Lu und schüttelt den Kopf. »Du bist der schlauste Kopf, den ich kenne. Du schreibst gerade eine Doktorarbeit, was bestimmt nicht jeder kann. Aber du denkst nicht dran, dir nach jedem Arbeitseinheit einen Ausdruck zu machen?«
»Jeder«, brumme ich. »Jeder Arbeitseinheit.«
»Das meine ich!« Lu deutet mit dem Zeigefinger auf mich, als hätte sie mich gerade dabei erwischt, wie ich eine Packung Kaugummis klaue. »Du bist super nervig, pingelig mit jedem kleinen Fehler, den man beim Sprechen macht. Aber aufpassen, dass du deine wichtige Arbeit nicht verlierst, das geht nicht, hm?!«
Das Schlimmste an ihr ist, dass sie nicht einmal sauer wirkt.
Sie teilt mir einfach so nebenbei mit, dass ich ihr höllisch auf die Nerven falle mit meinen ständigen Verbesserungen, aber wirklich ärgerlich darüber wirkt sie nicht. Vielmehr macht sie den Eindruck, als halte sie meine Besserwisserei für einen wesentlichen Teil meines Charakters, an dem weder etwas zu ändern noch großartig etwas zu beanstanden sei.
Sie schaut sich den Tower genauer an.
»Hast du CD -Rohlinge?«
»Ja, aber …«
»Gib sie mir! Na, mach schon! Und jetzt verkrümel dich mal für ne Weile. Das macht mich nervös, wenn du mich so über die Schulter siehst.«
Ich verkneife mir vorsichtshalber, das mich zu korrigieren, schiebe ihr die CD s hin und sehe noch zu, wie sie eine davon ins entsprechende Laufwerk schiebt.
Doch dann wirft sie einen Blick über ihre Schulter, der mehr als eindeutig ist. Und so lasse ich mich aus meinem eigenen Wohnzimmer vertreiben.
Ich gehe in die Küche und spüle ab.
Ich kann ihr sowieso nicht helfen. Mein spärliches Wissen über Computer ist längst ausgeschöpft.
Und es macht mich nervös, ihr zuzusehen, wie sie mit ihren praktisch veranlagten Händen, unter deren Nägeln noch eine Spur von Erde zu entdecken ist, an meinem Rechner herumfuhrwerkt. Währenddessen liegen drei zottelige, stinkende, vor sich hin röchelnde Hunde auf meinem Teppich und werden ihn wahrscheinlich für die nächsten zehn Jahre verseuchen.
Es macht mich nervös, wenn eine, die ich als Chaotin und unbedarfte Naiv-Lebens-Künstlerin einschätze, sich mit Dingen beschäftigt, die für mich existenziell wichtig sind.
Trotzdem widerstehe ich
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