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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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kurzem im Verteidigungsministerium tätig.
    ***
    »Aus meiner Sicht passt ihr zwei zusammen wie Feuer und Eisen«, erklärt Diana, seine neue Regionaldirektorin, in der Cafeteria des Instituts für zeitgenössische Kunst und schlägt die Zähne tapfer in ihr trockenes Thunfischsandwich. Sie ist klein, hübsch, anglo-indisch und spricht in den heroischen Anachronismen der pandschabischen Offiziersmesse. Ihr schüchternes Lächeln kaschiert einen stählernen Willen. Irgendwo hat sie einen Ehemann und zwei Kinder, die sie jedoch im Dienst nicht erwähnt.
    »Sie sind beide jung für Ihren Posten – gut, er ist zehn Jahre älter als Sie –, und beide brennen Sie vor Ehrgeiz«, verkündet sie, offenbar ohne zu merken, dass diese Beschreibung genauso auf sie zutrifft. »Aber lassen Sie sich nicht vom äußeren Anschein täuschen. Er gibt den Proleten, er rührt die Trommel für die Arbeiterklasse, aber er ist außerdem ein Exkatholik, Exkommunist und New Labour – oder was von New Labour übrig ist, seit ihr strahlender Held anderswo fettere Weidegründe gefunden hat.«
    Eine wohlerwogene Kaupause.
    »Fergus hasst Ideologie und hält sich für den Erfinder des Pragmatismus. Und die Tories hasst er natürlich auch, obwohl er die Hälfte der Zeit rechter als sie ist. Er hat einen beachtlichen Fanclub in der Downing Street, und damit meine ich nicht nur die hohen Tiere, sondern auch die Hofschranzen und PR ler. Fergus ist ihr Liebling, und sie setzen auf ihn, solange er antritt. Übertrieben pro-atlantisch, aber wenn die Amerikaner ihn als ihren Mann sehen, kann uns das natürlich nur recht sein. Euroskeptiker, das versteht sich von selbst. Hat keine hohe Meinung von uns Befehlsempfängern, aber welcher Politiker hat das schon? Und passen Sie auf, wenn er auf dem GWOT herumreitet« – GWOT , die moderne Abkürzung für den globalen Krieg gegen den Terror. »Es ist nicht mehr in, und ich brauche Ihnen sicherlich am allerwenigsten zu erzählen, dass anständige Araber langsam etwas allergisch darauf reagieren. Nicht dass er darauf nicht schon hingewiesen worden wäre. Ihr Job umfasst das Übliche. Kleben Sie an ihm wie eine Klette und passen Sie auf, dass er nicht noch mehr Porzellan zerschlägt.«
    »Noch mehr Porzellan, Diana?«, fragt Toby, dem schon ein paar höchst beunruhigende Andeutungen aus der Whitehall’schen Gerüchteküche zu Ohren gekommen sind.
    »Ignorieren Sie das«, verlangt sie streng, nach ein paar weiteren Sekunden beschleunigter Nahrungszerkleinerung. »Wenn Sie einen Politiker danach beurteilen wollten, was er im Verteidigungsministerium getan oder nicht getan hat, müssten Sie das gesamte nächste Kabinett aufknüpfen.« Und da Toby sie immer noch ansieht: »Der Mann hat sich zum Affen gemacht und dafür ordentlich eins auf den Deckel gekriegt. Der Fall ist erledigt. Ein für alle Mal erledigt.« Und gleichsam als Schlussstrich: »Das einzig Erstaunliche ist, dass das Verteidigungsministerium es ausnahmsweise mal geschafft hat, einen Riesenskandal im Keim zu ersticken.«
    Und damit sind die lautstarken Gerüchte offiziell tot und begraben – bis Diana beim Abschlusskaffee dafür optiert, sie zu exhumieren und wieder von neuem zu begraben.
    »Und nur für den Fall, dass jemand Ihnen da etwas anderes erzählt: Sowohl Verteidigungsministerium als auch Schatzamt haben eine schonungslose interne Untersuchung durchgeführt und einhellig entschieden, dass Fergus absolut nichts vorzuwerfen ist. Im schlimmsten Fall schlechte Beratung durch inkompetente Mitarbeiter. Was mir gut genug ist und Ihnen hoffentlich auch. Warum schauen Sie mich so an?«
    Er ist sich nicht bewusst, sie auf irgendeine nennenswerte Art anzuschauen, aber ihn dünkt doch, dass die Dame zu viel gelobt.
    ***
    Toby Bell, der neubestallte persönliche Referent des neubestallten Staatsministers, nimmt sein Amt auf. Fergus Quinn, isolierter Blair-Anhänger in der neuen Gordon-Brown-Ära, ist nicht unbedingt die Art Minister, den er freiwillig zu seinem Herrn erkoren hätte. Quinn, einziges Kind einer alten Glasgower Ingenieursfamilie, deren Glanzzeiten vorbei sind, hat sich frühzeitig einen Namen in der linken Studentenszene gemacht – Protestmärsche angeführt, sich mit der Polizei gekabbelt und auch sonst auf vielerlei Art dafür gesorgt, dass sein Bild in die Zeitung kam. Nach seinem Betriebswirtschaftsabschluss an der Edinburgher Universität verliert sich seine Spur in den Nebeln schottischer Labour-Parteipolitik. Drei Jahre später

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