Empfindliche Wahrheit (German Edition)
da treiben diese ganzen korrupten Lobbyisten und Waffenhändler sich rum«, murrt Matti, als müsste Toby mit dem Problem vertraut sein.
Aber das ist Toby nicht, also wartet er auf mehr.
»Befugterweise natürlich. Das war mit ein Grund für den Ärger. Befugt dazu, den Fiskus zu bescheißen, befugt dazu, Beamte zu bestechen, ihnen Urlaube in Bali anzubieten und so viele Weiber, wie sie nur vögeln können. Befugt zum Austeilen, befugt zum Einsacken, befugt zu allem, was ihnen überhaupt nur einfällt, solange sie einen Ministerialpass haben, und den haben sie.«
»Und Quinn hatte seine Schnauze im Trog wie alle anderen auch, willst du damit sagen?«
»Ich sage gar nichts«, entgegnet Matti scharf.
»Das weiß ich. Und ich höre auch nichts. Quinn hat also gestohlen, geht es darum? Gut, vielleicht nicht direkt gestohlen, aber Gelder gewissen Projekten zugeleitet, an denen er beteiligt war. Oder an denen seine Frau beteiligt war. Oder sein Cousin. Oder seine Tante. Ist es das? Hat sich erwischen lassen, das Geld zurückgezahlt, beteuert, wie leid es ihm tut, und die ganze Sache wurde unter den Teppich gekehrt. Warm oder kalt?«
Eine kleine Grazie macht zu lautem Gekicher und Gekreische einen Bauchplatscher.
»Es gibt diesen Unsympathen, Crispin heißt er«, murmelt Matti im Schutz des Radaus. »Schon mal von ihm gehört?«
»Nein.«
»Na, ich auch nicht, wäre nett, wenn du dir das merkst. Crispin. Ein ganz gerissener Hund. Halt dich fern von dem.«
»Aus irgendeinem bestimmten Grund?«
»Eher allgemein. Wir haben ihn für ein paar Jobs benutzt und dann ganz schnell wieder fallenlassen. Der soll deinen Chef am Bändel gehabt haben, als er im Verteidigungsministerium war. Mehr weiß ich nicht. Vielleicht ist nichts dahinter. Und jetzt hör auf, mich zu löchern.«
Damit kehrt Mattis brütender Blick zurück zu der Schönheitengalerie vor ihnen.
***
Ab da geht es wie so oft im Leben: Nachdem Matti den Namen Crispin einmal erwähnt hat, hört Toby ihn überall.
Bei einer Wine & Cheese-Party des Cabinet Office stecken zwei Parteibonzen die Köpfe zusammen: Was ist eigentlich aus diesem Windhund Crispin geworden? – Den hab ich erst neulich im Oberhaus gesehen, frag mich nicht, wo er die Chuzpe hernimmt. Aber als Toby sich ihnen nähert, fachsimpeln sie plötzlich über Kricket.
Gegen Ende einer interministeriellen Beratung zum Thema Frenemy-Beziehungen, wie das beliebte Schlagwort dieser Tage lautet, erhält der Name eine Initiale: Tja, solange Ihre Leute uns nicht wieder einen J. Crispin hinlegen! , giftet eine Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium ihr verhasstes Pendant aus dem Verteidigungsministerium an.
Aber ist es wirklich nur ein J? Oder Jay wie Jay Gatsby?
Eine halbe Nacht vor dem Bildschirm, während Isabel im Schlafzimmer schmollt, bringt Toby auch nicht weiter.
Bleibt noch Laura.
***
Laura tüftelt fürs Schatzamt: fünfzig Jahre jung, vormals Dozentin am All Souls College, burschikos, brillant, mit großem Leibesumfang und einem noch größeren Herzen. Als sie seinerzeit mit ihrem Team zu einer unangekündigten Bilanzprüfung in der britischen Botschaft in Berlin anrückte, hat Giles Oakley Toby befohlen, sie zum Essen auszuführen und »so um den Finger zu wickeln, dass sie nicht mehr weiß, wo oben und unten ist«. Das hat Toby pflichtschuldig getan, mit solchem Erfolg, dass sie ihre gelegentlichen gemeinsamen Essen seither auch ohne Oakleys Schirmherrschaft fortsetzen.
Das Glück will es, dass die Reihe an Toby ist. Er wählt Lauras Lieblingsrestaurant an der King’s Road. Wie üblich hat sie sich für den Anlass schwer in Schale geworfen, mit einem riesigen, fließenden, mit Holzperlen und Kettchen behängten Kaftan und einer Kamee von der Größe einer Untertasse. Laura liebt Fisch. Toby bestellt einen Wolfsbarsch in Salzkruste für zwei und dazu einen teuren Meursault. In ihrem Überschwang packt Laura quer über den Tisch seine Hände und schwenkt sie hin und her wie ein Kind, das tanzen will.
»Wunderbar, Toby, Darling, und wirklich allerhöchste Zeit.« Ihre Stimme dröhnt durch das Lokal wie Kanonendonner, zu laut selbst für Lauras Ohr, weshalb sie in ein vernehmliches Murmeln verfällt:
»Wie war’s in Kairo? Haben die Eingeborenen die Botschaft gestürmt und deinen Kopf auf einem Speer gefordert? Ich wäre gestorben vor Angst. Erzähl mir alles haarklein!«
Und nach Kairo ist Isabel dran, weil Laura wie immer auf ihre Rechte als Tobys Briefkastentante pocht.
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