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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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persönlich bekannt.
    »Können Sie mir das vielleicht etwas genauer erzählen?« – wobei er dem Mann einen Zwanzig-Euro-Schein in die wartende Hand drückt.
    »Sehr gern, Monsieur. Der schwarze Citroën fuhr vor dem Eingang vor, und im selben Moment trat Monsieur le Ministre aus dem Fahrstuhl. Meine Vermutung ist, dass Monsieur le Ministre telefonisch von der bevorstehenden Ankunft des Wagens in Kenntnis gesetzt wurde. Die beiden Herren haben sich hier in der Halle begrüßt, stiegen dann ins Auto und fuhren weg.«
    »Heißt das, ein Herr ist aus dem Auto ausgestiegen, um ihn abzuholen?«
    »Aus dem Fond des schwarzen Citroën Sedan. Er war ein Fahrgast, ganz eindeutig, kein Bediensteter.«
    »Können Sie den Herrn beschreiben?«
    Ein Zögern.
    »War er weiß, beispielsweise?«, fragt Toby ungeduldig.
    »Ganz und gar, Monsieur.«
    »Wie alt?«
    Der Empfangschef würde den Herrn auf ähnlich alt wie den Minister schätzen.
    »Haben Sie ihn schon einmal gesehen? Verkehrt er öfter hier?«
    »Noch nie, Monsieur. Ein Diplomat, hätte ich gesagt, möglicherweise ein Kollege.«
    »Groß, klein, wie sah er aus?«
    Wieder ein Zögern.
    »Wie Sie, nur etwas älter, und die Haare kürzer, Monsieur.«
    »Und in welcher Sprache haben sie gesprochen? Konnten Sie das hören?«
    »Englisch, Monsieur. Ganz normales Englisch.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo sie hinwollten? Haben Sie mitbekommen, wohin sie gefahren sind?«
    Der Empfangschef zitiert den chasseur herbei, einen frechen kleinen Kongolesen mit roter Uniform und Pagenkappe. Der chasseur kann genauestens Auskunft geben.
    »Ins Pomme du Paradis gleich beim Königspalast. Drei Sterne. Grande gastronomie! «
    So viel zu Quinns mörderischen Kopfschmerzen.
    »Wie können Sie da so sicher sein?«, fragt er den chasseur , der wippend dasteht vor lauter Diensteifer.
    »Das war seine Anweisung an den Chauffeur, Monsieur! Ich hab alles mitgehört!«
    »Was, alles? Wessen Anweisung?«
    »Von dem Herrn, der Ihren Minister abgeholt hat! Er hat sich neben den Chauffeur gesetzt, und ich hatte die Tür noch nicht zu, da sagte er: ›Und von hier zum Pomme du Paradis.‹ Das waren seine Worte, Monsieur!«
    Toby wendet sich wieder an den Empfangschef:
    »Sagten Sie nicht, der Herr, der den Minister abgeholt hat, saß im Fond? Jetzt hören wir, dass er beim Wegfahren vorne saß. Könnte es dann nicht ein Sicherheitsbeamter gewesen sein?«
    Aber so leicht lässt sich der kleine kongolesische chasseur nicht die Schau stehlen.
    »Es ging nicht anders, Monsieur! Drei Personen auf dem Rücksitz, mit einer eleganten Dame dabei – wie hätte das ausgesehen !«
    Eine Dame , denkt Toby verzweifelt. Bitte nicht auch das noch!
    »Und von was für einer Art Dame sprechen wir?«, fragt er in scherzhaftem Ton, aber das Herz pocht ihm bis zum Hals.
    »Sie war petite und sehr charmant, Monsieur, sehr vornehm.«
    »Und wie alt, Ihrer Schätzung nach?«
    Der chasseur lächelt keck:
    »Kommt darauf an, von welchen Körperteilen der Dame wir sprechen, Monsieur«, gibt er zurück und flitzt davon, ehe der Grimm des Empfangschefs über ihn hereinbrechen kann.
    Aber als Toby am nächsten Morgen mit einem Stapel schmeichelhafter britischer Zeitungsartikel, die er aus dem Internet ausgedruckt hat, an die Tür der Minister-Suite klopft, ist es nicht der Umriss einer jungen oder auch älteren Dame, der sich an dem Frühstückstisch hinter der Mattglastrennwand zum Salon abzeichnet. Es ist der Umriss eines Herrn, sieht Toby, ehe sein Minister ihm die Papiere aus der Hand rupft und die Tür brüsk wieder schließt: eines schlanken, mittelgroßen, sehr aufrecht sitzenden Herrn in dunklem Anzug und Krawatte.
    Wie Sie, nur etwas älter, und die Haare kürzer, Monsieur.
    ***
    Prag.
    Die Gastfreundschaft der britischen Botschaft in Prag nimmt Staatsminister Quinn zur Verwunderung seines Stabs nur zu gern an. Die Botschafterin, erst kürzlich vom Außenministerium für den Posten zwangsverpflichtet, ist eine alte Freundin aus Harvard-Zeiten. Während sich Fergus in guter Regierungsführung schulen ließ, hat Stephanie einen Master in Business Studies draufgesattelt. Die Konferenz findet in der berühmten Burg statt, die Prags ganzer Stolz ist, und erstreckt sich über zwei Tage voller Cocktails und üppiger Mähler. Ihr Thema ist eine verbesserte nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zwischen den NATO -Staaten aus dem ehemaligen Ostblock. Am Freitagabend sind die Delegierten abgereist, nur Quinn hängt noch einen Tag dran,

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