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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Material denn etwas getaugt?«
    »Es war teuer, also musste es ja etwas taugen.«
    »Was für ein Mensch ist er?«, will Toby wissen.
    »Dein Minister?«
    »Nein! Jay Crispin natürlich.«
    Laura holt tief Atem. Ihr Ton ist abschließend und eine Spur drohend.
    »Hör mir jetzt gut zu, ja? Der Skandal im Verteidigungsministerium ist Vergangenheit, und Jay Crispin darf sich auf Lebenszeit nicht mehr in der Nähe von Whitehall oder Westminster blicken lassen. Das hat er schwarz auf weiß, von ganz oben. Er wird nie wieder den Fuß in ein Ministeriums- oder Regierungsgebäude setzen.« Atemzug. »Der charismatische Minister dagegen, dem zu dienen du die Ehre hast, hat die nächste Sprosse der Karriereleiter erklommen, Scherbenhaufen hin oder her, und du wirst deinen Beitrag dazu leisten, wenn ich bitten darf. So, bist du so lieb und holst mir meinen Mantel?«
    Nach einer Woche der Gewissensbisse nagt an Toby noch immer die gleiche, hartnäckige Frage: Wenn der Skandal im Verteidigungsministerium Vergangenheit ist und Crispin nie wieder den Fuß in ein Ministeriums- oder Regierungsgebäude setzen wird, was macht der Kerl dann im Oberhaus?
    ***
    Sechs Wochen vergehen. Oberflächlich betrachtet ist es eine ereignislose Zeit. Toby schreibt Reden, und Quinn hält sie im Brustton der Überzeugung, selbst wenn gar keine Überzeugungen gefragt sind. Toby steht bei Empfängen schräg hinter Quinn und raunt ihm die Namen der ausländischen Würdenträger ins Ohr, die sich ihnen nähern. Quinn begrüßt sie wie lang vermisste Freunde.
    Aber Quinns anhaltende Geheimnistuerei treibt nicht nur Toby, sondern auch den übrigen Mitarbeiterstab an den Rand der Verzweiflung. Nach Besprechungen in Whitehall – sei es Innenministerium, Cabinet Office oder Lauras Schatzamt – ignoriert er seinen amtlichen Rover, winkt ein Taxi herbei und bleibt ohne ein Wort der Erklärung bis zum nächsten Tag verschollen. Er sagt diplomatische Treffen ab, ohne die Protokollsekretärin, seine Fachberater oder wenigstens seinen persönlichen Referenten darüber zu informieren. Die Bleistifteinträge in dem Kalender auf seinem Schreibtisch sind so kryptisch, dass Toby sie nur mit Quinns widerwilliger Hilfestellung entziffern kann. Eines Tages ist der Kalender ganz verschwunden.
    Vor allem die Auslandsreisen aber sind es, auf denen Quinns Verhalten aus Tobys Sicht bedrohliche Züge annimmt. Volkstribun Quinn verschmäht die Gastfreundschaft der ortsansässigen britischen Botschafter und nimmt stattdessen in Nobelhotels Wohnung. Als die Rechnungsstelle des Außenministeriums Protest einlegt, kündigt Quinn an, aus eigener Tasche zahlen zu wollen, was Toby überrascht, da Quinn wie viele reiche Leute notorisch geizig ist.
    Oder finanziert am Ende ein unbekannter Wohltäter Quinns Luxusleben? Warum sonst begleicht er seine Hotelrechnungen mit einer separaten Kreditkarte, die er mit dem Körper abschirmt, wenn Toby zufällig einmal zu nahe steht?
    Unterdessen treibt beim Team Quinn ein Hausgeist sein Wesen.
    ***
    Brüssel.
    Als sie nach einem Tag mühseligen Gefeilsches mit einem Heer von NATO -Bürokraten abends um sechs in ihr Grandhotel zurückkehren, klagt Quinn über mörderische Kopfschmerzen, sagt seine Essensverabredung in der britischen Botschaft ab und zieht sich in seine Suite zurück. Um zehn entschließt Toby sich nach schwerem innerem Kampf doch dazu, in der Suite anzurufen und sich nach dem Befinden seines Chefs zu erkundigen. Die Voicebox meldet sich. An der Tür des Ministers hängt das BITTE NICHT STÖREN -Schild. Nach weiterer Überlegung geht er in die Hotelhalle hinunter und sucht Rat beim Empfangschef. Gab es irgendwelche Lebenszeichen aus der Suite? Hat der Minister den Zimmerservice in Anspruch genommen, nach einem Aspirin geschickt oder gar – da Quinn einen dezidierten Hang zur Hypochondrie hat – nach einem Arzt?
    Der Empfangschef zeigt sich höchst erstaunt.
    »Aber Monsieur le Ministre ist vor zwei Stunden in seiner Limousine weggefahren«, ruft er in blasiertem belgischem Französisch aus.
    Jetzt ist Toby mit dem Staunen an der Reihe. Quinns Limousine ? Er hat keine. Die einzige Limousine in Reichweite ist der Rolls-Royce des Botschafters, den Toby auf Quinns Geheiß abbestellt hat.
    Oder hat Quinn die Verabredung in der Botschaft doch wahrgenommen? Der Empfangschef, in aller Bescheidenheit, belehrt ihn eines Besseren. Die Limousine war kein Rolls-Royce, Monsieur. Es war ein Citroën Sedan, und der Chauffeur war dem Empfangschef

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