Empfindliche Wahrheit (German Edition)
Seine Entschuldigungen – unterwürfig, aber zerstreut – haben sie nur noch mehr erbost. Auch Quinn hat es ihm nicht leichtgemacht: Bald war er überfreundlich zu Toby, bald hat er durch ihn hindurchgeschaut, dann wieder blieb er ohne ein Wort der Erklärung den ganzen Tag lang verschwunden, und Toby durfte in den Mond gucken.
Und am Donnerstag während der Mittagspause ein kryptischer Anruf von Matti:
»Diese Squash-Partie, die wir nicht gespielt haben.«
»Was ist damit?«
»Die gab es nie.«
»Ich dachte, das wäre eh klar.«
»Nur zur Sicherheit«, sagt Matti und legt auf.
Und jetzt ist es Freitagvormittag um zehn, und aus dem Haustelefon dringt der gefürchtete Summton.
Braucht der Schutzpatron der Arbeiterklasse wieder einmal ein paar Flaschen Dom Pérignon von Fortnum’s? Oder will er Toby eröffnen, dass er ihn bei aller Wertschätzung durch einen Unterflieger zu ersetzen gedenkt, und sichergehen, dass er das Wochenende hat, um sich von dem Schock zu erholen?
Wie beim letzten Mal ist die schwere Mahagonitür nur angelehnt. Er tritt ein, schließt sie und schiebt – im Vorgriff auf Quinns Aufforderung – den Riegel vor. Quinn hinter seinem Schreibtisch blickt mit grimmiger Ministermiene. Er bringt seine hochoffizielle Stimme zum Einsatz, die er sonst nur benutzt, um bei Newsnight Bedeutsamkeit auszustrahlen. Glasgower Akzent? Nie gehört.
»Ich fürchte, ich durchkreuze mal wieder Ihre Pläne für einen Kurzurlaub mit Ihrer Lebensabschnittspartnerin, Toby«, verkündet er in einem Ton, als läge die Schuld daran einzig bei Toby selbst. »Stellt das ein größeres Problem für Sie dar?«
»Keineswegs, Herr Minister«, antwortet Toby und verabschiedet sich im Geist von dem anvisierten Wochenende in Dublin, was im Zweifel auch heißt, adieu Isabel.
»Wie der Zufall es will, stehe ich unter beträchtlichem Druck, hier morgen ein hochgeheimes Treffen abzuhalten. In diesem Raum. Ein Treffen von höchster nationaler Wichtigkeit.«
»Wünschen Sie meine Anwesenheit dabei, Herr Minister?«
»Ganz im Gegenteil. Sie dürfen auf gar keinen Fall anwesend sein, danke. Für Sie besteht keine Freigabe, Ihre Gegenwart ist in keiner Weise wünschenswert. Nehmen Sie das bitte nicht persönlich. Aber ich bräuchte wieder Ihre Hilfe im Vorfeld. Kein Champagner diesmal, leider Gottes. Und auch keine Gänseleber.«
»Ich verstehe.«
»Nicht anzunehmen. Dieses Treffen, das mir aufgenötigt wurde, erfordert jedoch gewisse Sicherheitsvorkehrungen außer der Reihe. Ich möchte Sie als meinen persönlichen Referenten bitten, diese Vorkehrungen für mich zu treffen.«
»Selbstredend.«
»Sie klingen erstaunt. Warum?«
»Nicht direkt erstaunt, Herr Minister. Nur – wenn dieses Treffen derart geheim ist, warum muss es dann hier stattfinden? Warum nicht außerhalb des Büros? Oder in dem schalldichten Raum unterm Dach?«
Quinn ruckt mit dem schweren Kopf, als würde er Widersetzlichkeit wittern, bequemt sich dann aber doch zu einer Antwort.
»Weil mein äußerst hartnäckiger Besuch, meine Besucher, um genau zu sein, in der glücklichen Lage sind, die Bedingungen zu diktieren, und ich als Minister darf Männchen machen. Sind Sie dabei, oder muss ich mich nach jemand anderem umsehen?«
»Kein Problem, Herr Minister.«
»Sehr gut. Sie kennen die Seitentür zur Horse Guards Road raus, ja? Den Dienstboteneingang sozusagen? Eine grüne Eisentür mit Gitter davor?«
Toby kennt die Tür, aber da er kein Dienstbote ist, wie der Mann des Volkes es ausdrückt, hatte er noch nie Veranlassung, sie zu benutzen.
»Und Sie kennen den Gang im Erdgeschoss, der zu dieser Tür hinführt? Direkt unter uns? Zwei Stockwerke unter uns?« – mit wachsender Ungeduld in der Stimme: »Wenn Sie zum Haupteingang reinkommen, rechts von der Empfangshalle, Herrgott noch mal. Sie kommen jeden Tag dran vorbei.«
Ja, Toby kennt auch den Gang.
»Morgen Vormittag, Samstagvormittag, wird mein Besuch – meine Besucher von mir aus, wie immer sie sich zu nennen belieben« – der Unwille in seinem Ton fast schon ein Automatismus –, »getrennt an diesem Seiteneingang ankommen. Zwei Parteien. Eine nach der anderen. In kurzem Abstand. Können Sie mir folgen?«
»Bis jetzt, ja, Herr Minister.«
»Na dann. Von 11 . 45 Uhr bis 13 . 45 Uhr – nur für diese zwei Stunden, haben Sie verstanden? – wird der Seiteneingang unbesetzt sein. Einhundertzwanzig Minuten lang keinerlei Sicherheitspersonal. Sämtliche Videokameras und sonstigen
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