Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
Überwachungsgeräte an diesem Eingang und auf dem Weg bis hierher werden außer Betrieb sein. Deaktiviert. Ausgeschaltet. Nur für diesen Zeitraum. Das ist alles von mir persönlich arrangiert. Organisatorisch bleibt für Sie nichts zu tun, denken Sie darüber also gar nicht erst nach. Und jetzt hören Sie zu.«
    Der Minister reckt eine viereckige, muskulöse Handfläche in Tobys Gesicht und nimmt mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand den kleinen Finger in die Zange:
    »Gleich nach Ihrer Ankunft morgen Vormittag um zehn gehen Sie zur Sicherheitszentrale und vergewissern sich, dass meine Anordnung, den Seiteneingang zu räumen und aufzuschließen und sämtliche Überwachungsvorrichtungen auszuschalten, umgesetzt wird wie vereinbart.«
    Ringfinger. Der Goldring sehr dick, das aufgeprägte Andreaskreuz von leuchtendem Blau.
    »Um 11 . 50 Uhr begeben Sie sich via Horse Guards Road zum Seiteneingang und betreten das Gebäude durch besagte Tür, die aufgrund meiner Anweisungen an die Sicherheitszentrale unversperrt sein wird. Sie folgen daraufhin dem Gang im Erdgeschoss und überzeugen sich auf Ihrem Weg, dass der Gang und die Hintertreppe, die von dort nach oben führt, in keiner Weise besetzt oder blockiert sind. So weit alles klar?«
    Mittelfinger.
    »Sie sind mein persönliches Versuchskaninchen, verstehen Sie? Sie setzen Ihren Weg in Ihrem üblichen Tempo fort und gehen über die Hintertreppe und den dazugehörigen Treppenabsatz – keine Pinkelpause, wenn ich bitten darf, kein Bummeln, kein Rennen – bis in dieses Zimmer, in dem wir beide stehen. Sobald Sie da sind, lassen Sie sich von der Sicherheitszentrale übers Haustelefon bestätigen, dass Ihr Kommen unentdeckt geblieben ist. Es ist alles abgesprochen, also tun Sie, was ich Ihnen sage, nicht mehr und nicht weniger. Das ist ein Befehl.«
    Toby blickt auf und findet sich in den Glanz von Quinns gewinnendstem Lächeln getaucht.
    »Also, Toby. Werfen Sie mir an den Kopf, dass ich Ihnen Ihr Wochenende ruiniere, so wie meine … Besucher meins ruiniert haben.«
    »Keineswegs, Herr Minister.«
    »Aber?«
    »Nun ja, eine Frage.«
    »So viele Sie wollen. Schießen Sie los.«
    Tatsächlich sind es zwei.
    »Wenn ich das fragen darf, Herr Minister, wo werden Sie sein? Sie persönlich. Während ich mit diesen« – er zögert –, »diesen Vorkehrungen beschäftigt bin.«
    Das Lächeln, das Wahlen gewinnt, wird noch breiter.
    »Sagen wir, ich kümmere mich um meinen eigenen Kram, einverstanden?«
    »So lange, bis Sie hier eintreffen, Herr Minister?«
    »Mein Timing wird perfekt sein, keine Sorge. Sonst noch etwas?«
    »Was ich mich auch gefragt habe, vielleicht überflüssigerweise: Wie kommen Ihre Parteien wieder hinaus? Das System ist für zwei Stunden deaktiviert, sagen Sie. Wenn Ihre zweite Partei kurz nach der ersten eintrifft und das System um 13 . 45 Uhr wieder in Gang gesetzt wird, bleiben Ihnen nur gut anderthalb Stunden für Ihr Treffen.«
    »Anderthalb Stunden reichen locker. Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf« – das Lächeln mittlerweile ein veritabler Schmelzofen.
    »Sind Sie da ganz sicher?«, insistiert Toby, von dem plötzlichen Drang ergriffen, das Gespräch zu verlängern.
    »Gott, machen Sie sich mal nicht ins Hemd! Ein paar Händedrücke reihum, und wir dürfen alle nach Hause gehen.«
    ***
    Es wird Mittag, ehe sich Toby Bell in der Lage sieht, seinen Schreibtisch zu verlassen, die Clive Steps hinabzueilen und im Schutz einer ausladenden London-Platane am Rand des St. James’s Park seine Not- SMS an Oakley zu komponieren.
    Im Geist hat er schon etliche Versionen verfasst, seit ihm Quinn seine bizarren Anordnungen erteilt hat. Doch es geht das Gerücht, dass die Sicherheitszentrale die privaten Mitteilungen überwacht, die vom Ministerium aus gesendet werden, und Toby verspürt kein Verlangen danach, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    Die Platane ist eine alte Freundin von ihm. Sie steht auf einer kleinen Anhöhe einen Steinwurf vom Birdcage Walk und dem Kriegerdenkmal entfernt. Nur hundert Meter weiter blicken die Erkerfenster des Foreign Office streng auf ihn herab, aber die vor ihm vorbeiziehende Welt von Stockenten, Störchen, Touristen und Müttern mit Kinderwägen nimmt ihnen die Bedrohlichkeit.
    Seine Hand, die das BlackBerry hält, zittert nicht, seine Gedanken sind geordnet und klar. Das ist eine Tatsache, die ihn selbst im gleichen Maße erstaunt, wie sie seine Arbeitgeber beeindruckt: Toby ist krisenfest. Isabel mag

Weitere Kostenlose Bücher