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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Messinggeschirre. Selbstgezogenes Gemüse im Sonntagsstaat. Blumenkohl, der bei den Einheimischen Brokkoli heißt: die Köpfe größer als Fußbälle, blitzblank geschrubbt. Hausgemachtes Brot, Käse, Honig.
    Die Mixed Pickles probieren, die nach nichts schmecken, aber umso anerkennender grinst man. Die Räucherlachspastete dagegen: ein Gedicht. Die musst du kaufen, Suki! Suki kauft. Als Nächstes die Blumenschau des Gartenvereins. Suzanna kennt jede Blume beim Vornamen. Und dort kommen die MacIntyres, zwei ewig Unzufriedene. George, ehemaliger Teeplantagenbesitzer, schläft mit einem geladenen Gewehr neben dem Bett, um die Rotte der Neider von seinen Toren vertreiben zu können. Lydia, seine Frau, ist die ungekrönte Königin der Langeweile. Mit ausgebreiteten Armen eilt er auf sie zu:
    »George! Lydia! Ihr Lieben, wie schön! Wir schwärmen immer noch von dem köstlichen Essen neulich bei euch. Nächstes Mal sind wir an der Reihe!«
    Dankbar interessiert er sich für die historischen Dreschmaschinen und Dampflokomotiven. Suzanna wird von einem Pulk kostümierter Kinder umlagert, von Batman bis zu Osama ist alles vertreten. Gerry Pertwee, der Dorf-Romeo, thront als Indianerhäuptling verkleidet auf seinem Traktor.
    »Na, Gerry«, trompetet Kit zu ihm hinüber, »wird unsere Wiese in diesem Leben noch mal gemäht oder nicht?« Und leiser zu Suzanna: »Den Teufel werd ich tun und dem Kerl fünfzehn Pfund die Stunde zahlen, wenn der gängige Preis zwölf sind.«
    Suzanna läuft Marjory in die Arme, einer reichen Geschiedenen, die auf Männerfang ist. Marjory hat es auf die heruntergekommenen Treibhäuser im ummauerten Garten des Gutshauses abgesehen, als neue Behausung für ihren Orchideenclub, aber Suzanna hat sie im Verdacht, es in Wahrheit auf Kit abgesehen zu haben. Kit, der Diplomat, eilt ihr zu Hilfe.
    »Suki, Liebes, tut mir furchtbar leid – Marjory, Sie sehen zum Anbeißen aus, wenn ich das so sagen darf –, aber wir haben hier eine kleine Krise und bräuchten dich als rettenden Engel.«
    Cyril, Kirchenältester und erster Tenor im Chor, wohnt bei seiner Mutter und darf keinen unbeaufsichtigten Kontakt zu Schulkindern pflegen; Harold, Zahnarzt, Trinker, frühpensioniert, hat ein hübsches strohgedecktes Häuschen an der Bodmin Road, einen Sohn in der Entzugsklinik und eine Frau in der Klapse. Kit begrüßt sie alle überschwenglich und nimmt dann Kurs auf die Kunst- und Handwerksausstellung, Sukis Hätschelkind.
    Himmlische Ruhe unter dem Zeltdach. Dilettantische Aquarelle harren der Würdigung. Talent? Ach was! Guter Wille ist alles. Auf der anderen Seite wieder hinaus, den grasbewachsenen Hang hinab.
    Der Strohhut schneidet ihm in die Stirn. Die Wildlederschuhe drücken so teuflisch wie erwartet. Emily am Bildrand wacht unauffällig über Suzanna.
    Und als Nächstes, hinter der Seilabsperrung, die traditionellen Handwerksberufe.
    ***
    Überlief Kit beim Eintreten ein Schauder? Spürte er eine Vorahnung, rührte ihn eine unsichtbare Hand an? Von wegen. Er war im Paradies, und er gedachte dort zu bleiben. Er erlebte einen jener raren Momente ungetrübten Glücks, in denen alles zu harmonieren schien. Voller Liebe betrachtete er seine Frau in ihrem Reitdress und Zylinder. Er dachte an Emily: noch vor einem Monat am Boden zerstört, und jetzt stand sie wieder fest auf beiden Beinen und nahm es mit der Welt auf.
    Und so behaglich, wie seine Gedanken dahintrieben, wanderten auch seine Blicke, bis an den fernsten Rand der Einfriedung, wo sie wie von allein an der Gestalt eines Mannes hängen blieben.
    Eines gebückten Mannes.
    Eines kleinen gebückten Mannes.
    Ob dauerhaft gebückt oder nur vornübergebeugt, ließ sich vorerst nicht feststellen. Der Mann war gebückt, und er hockte oder kauerte auf der Heckklappe seines Campingbusses. Trotz der Mittagshitze trug er einen glänzend braunen langen Ledermantel mit hochgeklapptem Kragen. Und auf dem Kopf einen breitkrempigen Hut, ebenfalls aus Leder, flach und mit einer Schleife vorn dran: weniger Cowboy- als Puritanerhut.
    Die Züge, soweit Kit sie im Schatten der Krempe ausmachen konnte, waren ganz entschieden die eines kleinen, nicht jungen Mannes weißer Hautfarbe.
    Ganz entschieden?
    Weshalb die plötzliche Emphase?
    Was war so entschieden an ihm?
    Nichts.
    Der Bursche war fremdartig, das ja. Und klein. In stämmiger Gesellschaft stechen die Kleinen ins Auge. Das macht sie nicht zu etwas Besonderem. Es hebt sie nur heraus.
    Ein Kesselflicker, das war Kits

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