Empty Mile
wir Schwimmen gehen könnten. Tunney Lake wäre sicher nicht meine erste Wahl gewesen, um unsere Beziehung fortzusetzen, aber ich war so erleichtert, weil sie endlich anrief, dass ich zu allem Ja gesagt hätte.
Als ich sie abholte, trug sie ein enges weißes T-Shirt und abgeschnittene Jeans, und als sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ, wurde mir plötzlich klar, wie grauenhaft allein ich sein würde, wenn ich sie nicht zurückgewinnen würde.
Die ganze Fahrt über machte sie einen geistesabwesenden Eindruck, sah die meiste Zeit zum Fenster hinaus und zupfte am ausgefransten Saum der Jeans. Es war nicht das beste Zeichen für das Wiederaufleben unserer Beziehung, doch als wir zum See kamen, parkten und den Pick-up hinter uns ließen, nahm sie meine Hand und drückte sie.
Wir gingen zum südlichen Ende des Strands, wo weniger Kinder herumliefen, zogen uns bis auf die Badesachen aus und legten uns hin. Ich spürte die Wärme des grobkörnigen Sands durch den Baumwollstoff meines Handtuchs. Ich rollte mich auf die Seite und betrachtete Marla. Sie trug einen einfarbigen roten Bikini, und mir fiel auf, dass sie etwas zugenommen hatte. Ihre Brüste wirkten voller, als ich sie in Erinnerung hatte, die Haut zwischen ihren Beckenknochen war nicht mehr so straff gespannt. Sie bemerkte meinen Blick, setzte sich auf und zog die Knie an.
»Du bist ziemlich blass, Johnny.«
»Ja.«
»Hast du in England an mich gedacht?« Sie nahm etwas Sand in die Hand und ließ ihn sich auf die Füße rieseln.
»Ich habe an alles und jeden gedacht. Das ging so weit, dass ich dachte, ich würde durchdrehen.«
Ich sah ihrem Gesicht an, dass das nicht die Antwort war, die sie hören wollte.
»Ja, ich habe oft an dich gedacht.«
Sie blickte über den See. »Ich bin oft hierhergekommen, als du fort warst. Bis das Wasser mir klarmachte, dass du auf der anderen Seite der Welt bist. Ab da bin ich nicht mehr gekommen.«
Sie schlang die Arme um die Knie. Sie drehte den Kopf, legte ihn darauf und machte die Augen zu.
»Weißt du, Johnny, wenn die Vergangenheit ein Wald wäre, würde ich ihn niederbrennen.«
So verharrte sie eine Weile und wiegte den Kopf in den Armen. Die Atmosphäre war heiß und schwül, und ich dachte, Marla könnte einschlafen. Ich betrachtete ihr Gesicht, die dunklen Wimpern auf ihrer Haut, und fragte mich, warum sie so etwas sagte.
»War es so schlimm? Ich meine nicht, dass ich nicht da war, sondern das Leben generell.«
Sie hob den Kopf und blinzelte. »Das Leben generell? Ja, das Leben generell war beschissen.«
»Wieso?«
Marla legte sich wieder hin, wandte sich mir zu und seufzte. »Darüber will ich heute nicht reden, Johnny.«
Sie blickte über mich hinweg; ich drehte mich um, weil ich wissen wollte, was sie sah. Weiter oben am Strand saß Bill Prentice auf dem Grünstreifen zwischen Strand und Parkplatz. Doch auch wenn er ganz damit beschäftigt schien, aus einer Dose Limo zu trinken, war ich sicher, dass er uns bis eben beobachtet hatte. Ich wandte mich wieder Marla zu.
»Erzähl mir von deinem Job.«
Sie zuckte die Achseln. »Die Verwaltungsaufgaben sind okay. Ich notiere die Arbeitszeiten. Ich organisiere die Akten, mache Termine, beraume Sitzungen an, solche Sachen. Aber manchmal muss ich auch recherchieren, und das kann echt Spaß machen. Wenn ich zum Beispiel die Geschichte eines bestimmten Gebäudes herausbekommen muss, oder alte Geschichten aus dem Goldrausch. Das mag ich am liebsten. Wenn ich diesen Job nicht bekommen hätte, weiß ich wirklich nicht, wie stabil ich heute wäre. Geistig, meine ich. Ich muss pissen.«
Sie stand auf und ging hastig zum Parkplatz, wo sich die öffentlichen Toiletten befanden. Ich sah ihr nach. Der Tag verlief nicht ganz so, wie ich gehofft hatte. Ich hätte mir gedacht, dass wir uns inzwischen in den Armen liegen und einfach die Sonne genießen würden. Ich wälzte mich auf den Rücken und schloss die Augen.
Nach einer Weile kam Marla zurück, setzte sich neben mich und schien vor nervöser Energie und komischer Fassungslosigkeit ganz zappelig zu sein. Sie nickte in Richtung Parkplatz. Bill Prentice war immer noch anwesend, doch jetzt stand er mit den Händen in den Hosentaschen da und sah unverwandt zu uns herüber.
»Weißt du, was er mich gefragt hat?«
»Bill Prentice?«
»Ja.« Sie lachte, als wäre es der größte Witz, doch es war ein sprödes Lachen, dem ich ihre Nervosität anmerkte. »Er will …« Sie verstummte und schüttelte den Kopf. »Es
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