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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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vor Freude nicht
zu fassen wußten. Die Hennen starrten mit offenem Schnabel.
Plötzlich erschien ganz unerwartet ein zweiter Hahn, so
groß wie der erste. Mit gesträubten Federn
betrachteten einander die beiden Rivalen, beschrieben Kreise und
Halbkreise, vollführten rasche Drehungen um sich selbst,
stießen fast menschliche Schreie aus und warfen sich dann
plötzlich mit aller Wucht aufeinander. Sie ließen
voneinander ab und gingen wieder aufeinander los, und die Weibchen, die
ihnen zusahen, glucksten aufgeregt. Endlich lag einer der
Kämpfer am Boden, und der Sieger stolzierte, immer noch
tanzend, zu den Hennen, die er alle vier mit deutlichsten
Annäherungsversuchen unter die nahen Bäume
entführte.
    Ein neuer Auftritt folgte. Zwei Bisons tauchten mit dem
ernsten, gewichtigen Schritt auf, der ihnen eigentümlich ist.
Ein Weibchen folgte ihnen, klein, mager, erbärmlich aussehend,
mit einem ungeheuren offenen Maul in seiner Kopfmaske. Mit der
größten Selbstverständlichkeit setzte das
Weibchen sich auf seinen Hinterteil, während die beiden
Männchen einen Anlauf nahmen. Zuerst stampften ihre Vorderhufe
wütend den Boden; sie ließen dumpfes Brüllen
hören und peitschten mit ihrem lächerlich kleinen
Schweif durch die Luft. Wie toll rasten sie dann bald nach rechts, bald
nach links, blieben wieder stehen und beschnüffelten die
Gräser mit ihren breiten Schnauzen. Endlich gingen sie
aufeinander los und stießen sich, einer an den anderen
gedrängt, mit aller Kraft. Man sah die in den Boden gegrabenen
acht Beine sich anspannen. Die wuchtigen Massen wichen keinen Schritt.
Die Zuschauer ermunterten die zwei Kämpfer. Wie mit der Erde
verwachsen, bewegte sich weder der eine noch der andere. Dies dauerte
lange. Plötzlich stürzte einer der beiden zu Boden,
ohne auch nur einen Fuß breit gewichen zu sein. Der Sieger
trottet zum Weibchen, leckt ihre Schnauze, brüllt noch einmal
wütend auf, und beide ziehen in den Wald, um dort ihre Liebe
zu verbergen.
    Noch eine Pause folgt dieser Szene. Die Sonne sinkt gegen den
Horizont. Die Kleidung der Menschen am Wiesenhang, ihre Antlitze, die
Bäume am Flußufer, Hügel und Felsen, das
rinnende Wasser, vor allem der Himmel selbst erscheinen in zarteren
Farben. Die Mädchen sind versonnen. Welche von ihnen wird
erwählt werden, welche verschmäht?
    Die fünfzig jungen Männer erscheinen wieder
unter der Führung der Weisen. Jene, die Siege errangen, gehen
an der Spitze; No ist unter ihnen.
    Er ist noch unentschlossen. Weder der Rausch der
Wettkämpfe noch die Schreie der Zuschauer vermochten seine
Sinne zu verwirren. Er hat schon als Zuschauer diesen Spielen
beigewohnt. Bei der Einweihung hatten die Weisen ihm den tieferen Sinn
der Feier enthüllt. Ohne ihm die Begründung zu geben
– die nur den Eingeweihten zweiten Grades bekannt sein durfte
–, enthüllten sie No das von ihm bisher nicht
erkannte Schändliche in den Heiraten mit Mädchen des
eigenen Blutes. Und doch würde nichts so natürlich
erscheinen, wie sich mit jenen zu verbinden, neben denen man lebt und
die zu lieben alles in uns drängt. Alle Tiere rings in der
Natur tun nichts anderes. Sah man schon einen Stier seine Heimat
verlassen, um sich in der Ferne ein Weibchen zu suchen? Er
wählt es in seiner nächsten Umgebung. Nur der Mensch
mußte sich dem Zwange unterwerfen. Und der einzige Grund, den
No dafür kennt, liegt in jener fernen Zeit des Ahnen, der
dieses Gebot seinen vier Töchtern auferlegte. Und wirklich
sahen nach seinem Tode seine eigenen Söhne sich
genötigt, in weite Fernen zu ziehen, um sich eine
Gefährtin zu suchen. In jenen barbarischen Zeiten waren die
Unternehmungen zur Gewinnung der Frauen kriegerisch und blutig. Man
tötete Brüder und Väter, um die
Mädchen zu entführen. Ein endloser Kampf herrschte
zwischen den Stämmen. Aber bald begann man einzusehen,
daß man diesem Gemetzel ein Ende setzen müsse. Man
verständigte sich mit den Nachbarstämmen
über einen friedlichen Austausch der Mädchen, um so
mehr, als auch ihnen die religiösen Bestimmungen, die in
diesem Punkte bei allen zivilisierten Völkern die gleichen
waren, Heiraten innerhalb des Stammes verboten. Und zur Erinnerung an
die alten Zeiten blieben die Hochzeitsspiele, bei denen auch jetzt noch
die Mädchen geraubt wurden, doch nach vorgeschriebenem Brauch,
ohne Kampf und Blutvergießen.
    So ist das Schauspiel vor Nos Augen eine symbolische Handlung

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