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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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den Tisch wieder an seinen Platz, bezog dann vor dem Feuer Posten, nahm eine Zigarette und zündete sie mit einem Fidibus an. Als ich mich aufrichtete, bemerkte ich, daß David mich beobachtete. „Sie sehen sehr schön aus“, bemerkte er. „Schottland bekommt Ihnen offenbar gut.“
    „Danke“, entgegnete ich, wie es wohlerzogenen amerikanischen Mädchen beigebracht wird. (Englische Mädchen geben auf ein Kompliment Antworten wie: „Oh, überhaupt nicht, ich sehe schrecklich aus“ oder „Wie können Sie nur sagen, daß Ihnen dieses Kleid gefällt? Es ist scheußlich.“ Das – so wurde mir versichert – kann sehr abschreckend wirken.)
    Um meine plötzliche Verlegenheit zu überbrücken, schlug ich ihm vor, ihm einen Drink zu mixen. Er lächelte. „In Schottland mixt man keinen Drink, man schenkt ein Glas ein.“
    „Martinis aber nicht“, beharrte ich. „Man kann einen Martini erst einschenken, nachdem man ihn gemixt hat. Das ist doch logisch.“
    „Ein Punkt für Sie. Wollen Sie einen Martini?“
    „Wissen Sie, wie man einen macht?“ fragte ich unsicher.
    „Das möchte ich doch annehmen.“
    „Mein Vater sagt, es gibt nur zwei Männer in Großbritannien, die einen Martini mixen können, und einer davon sei er.“
    „Dann muß ich der andere sein.“ Er ging hinüber zu dem Tisch und machte sich mit den Flaschen, dem Eiskübel und kleinen Spiralen aus Zitronenschale zu schaffen. „Was haben Sie heute gemacht?“
    Ich erzählte es ihm, bis hin zu dem heißen Bad und meiner Siesta. Dann sagte ich: „Und Sie werden nicht erraten, was wir für morgen geplant haben.“
    „Nein, das kann ich nicht. Erzählen Sie es mir.“
    „Sinclair und ich werden über den Lairig Ghru wandern.“
    Er war gebührend beeindruckt. „Wirklich?“
    „Ja, wirklich. Gibson fährt uns nach Braemar hinüber und holt uns dann abends in Rothiemurchus ab.“
    „Wie wird denn das Wetter morgen?“
    „Gibson meint, es wird schön. Er sagt, der ganze Dunst wird fortwehen, und es wird sehr warm.“ Ich betrachtete ihn. Ich mochte seine gebräunten Hände und sein dunkles, ordentlich gekämmtes Haar und die breiten Schultern unter dem weichen blauen Samt. Einem plötzlichen Impuls folgend sagte ich: „Sie sollten mitkommen …“
    Er kam durch den Raum, die beiden blaßgoldenen, eiskalten Getränke in der Hand. „Das würde ich liebend gern tun, aber ich werde morgen den ganzen Tag beschäftigt sein.“
    Ich nahm das Glas. „Vielleicht ein andermal.“
    „Ja, vielleicht.“
    Wir lächelten uns an und tranken. Der Martini war köstlich, er war eiskalt und stieg zu Kopf wie Feuer. „Ich werde meinem Vater sagen, daß ich den anderen Martini-Mixer gefunden habe“, sagte ich. Dann fiel mir etwas anderes ein. „David, ich muß mir dringend was zum Anziehen besorgen …“
    Er bewältigte den abrupten Themenwechsel spielend. „Was brauchen Sie denn?“
    „Pullover und so etwas. Mein Vater hat mir Geld gegeben, aber es sind alles Dollarscheine. Glauben Sie, Sie könnten sie für mich wechseln?“
    „Natürlich. Wann haben Sie vor, einkaufen zu gehen? Caple Bridge ist nicht gerade das Modezentrum des Nordens.“
    „Ich will nichts Modisches, ich möchte nur etwas Warmes.“
    „In diesem Fall wird es wohl gehen. Wann wollen Sie Ihren Einkaufsbummel machen?“
    „Samstag?“
    „Können Sie mit dem Auto Ihrer Großmutter fahren?“
    „Ich kann damit fahren, aber ich darf nicht. Ich habe keinen britischen Führerschein … aber das macht nichts. Ich nehme den Bus …“
    „In Ordnung. Dann kommen Sie ins Büro, ich sage Ihnen, wie Sie es finden. Dann gebe ich Ihnen Ihr Geld. Und wenn Sie sich mit Wollzeug eingedeckt und nichts Besseres zu tun haben, lade ich Sie zum Mittagessen ein.“
    „Oh, wirklich?“ Das hatte ich nicht erwartet, ich war begeistert. „Wo?“
    Er kratzte sich gedankenverloren im Nacken. „Es gibt wirklich nicht viel Auswahl. Entweder das Crimond Arms oder bei mir. Aber meine Haushälterin kommt samstags nicht.“
    „Ich kann kochen. Kaufen Sie etwas ein, und ich bereite es zu. Außerdem würde ich sowieso gern sehen, wo Sie wohnen.“
    „Es ist nicht sehr aufregend.“
    Trotzdem war ich einigermaßen aufgeregt. Ich fand immer schon, daß man einen Menschen erst kennt, wenn man sein Zuhause gesehen hat, seine Bücher, seine Bilder, die Art, wie er seine Möbel aufstellt. David war in Kalifornien und auf unserer Reise nach Hause immer nett und zuvorkommend gewesen, aber auch sehr korrekt, fast

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