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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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selbstverständlich davon sprach, Gibson fortzuschicken, als wäre die Zeit gekommen, sich möglichst schmerzlos eines übelriechenden alten Hundes zu entledigen.
     

7
     
     
     
     
    W ieder wachte ich auf, irgendeine unbewußte Unruhe hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Ich wußte, daß es hell geworden war, drehte mich um und öffnete die Augen. Ein Mann stand am Fußende meines Bettes und betrachtete mich kühl. Ein Laut des Schreckens entfuhr mir, mit klopfendem Herzen setzte ich mich auf, aber es war Sinclair, der gekommen war, um mich zu wecken.
    „Es ist acht Uhr“, sagte er. „Um neun müssen wir los.“
    Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und ließ mir Zeit, damit die panische Angst sich legen konnte, die mir in die Glieder gefahren war. „Du hast mich fürchterlich erschreckt.“
    „Tut mir leid, das wollte ich nicht … ich wollte dich nur wecken.“
    Er lehnte mit verschränkten Armen über dem Fußende meines Bettes, und seine leicht schrägen Augen funkelten vor Vergnügen. Er trug einen ausgeblichenen Kilt, einen weiten gerippten Pullover und hatte einen Schal um den Hals geknotet. Er sah sauber und gebürstet aus und roch köstlich nach Rasierwasser.
    Ich stand auf und lehnte mich aus dem offenen Fenster, um nach dem Wetter zu sehen. Es war ein vollkommen schöner Tag, hell, strahlend und kalt, keine Wolke stand am Himmel. „Gibson hatte recht“, murmelte ich.
    „Natürlich hatte er recht. Er hat immer recht. Hast du heute nacht den Wind gehört? Und es gab Frost, bald werden sich alle Bäume verfärben.“
    Das Loch, in dem sich blau der Himmel spiegelte, war mit kleinen weißen Schaumtupfen übersät. Die Berge dahinter waren nicht mehr von Dunst verschleiert, sondern klar und glitzernd, mit großen Flächen violetten Heidekrauts gefleckt, und in der kristallenen Morgenluft konnte ich jeden Felsen, jeden Spalt und jeden kleinen Talkessel genau erkennen, bis hoch zu den Gipfeln.
    An einem solchen Tag mußte man einfach guter Laune sein. Die Ängste der Nacht waren mit der Dunkelheit verflogen. Ich hatte etwas gehört, was nicht für meine Ohren bestimmt gewesen war. Im klaren Licht des Morgens jedoch schien es durchaus möglich, daß ich mich geirrt, mich verhört hatte. Schließlich hatte ich weder den Beginn der Diskussion noch deren Ende mitbekommen … und da ich nur die Hälfte der Tatsachen kannte, durfte ich mir kein Urteil erlauben.
    Vor Erleichterung, meine geheimen Befürchtungen so leicht losgeworden zu sein, war ich plötzlich ungeheuer glücklich. Ich drehte mich um und machte mich im Nachthemd auf die Suche nach meinen Kleidern. Sinclair, der seine Mission erfolgreich ausgeführt hatte, ging nach unten, um zu frühstücken.
     
    Wir aßen in der Küche, am Ofen war es warm und gemütlich. Mrs. Lumley hatte Würstchen gebraten, ich aß vier davon und trank zwei riesige Tassen Kaffee. Dann stöberte ich einen alten Rucksack auf, und wir packten ihn voll Proviant für das Mittagessen: belegte Brote, Schokolade, Äpfel und Käse.
    „Wollt ihr eine Thermoskanne mitnehmen?“ erkundigte Mrs. Lumley sich.
    „Nein“, sagte Sinclair, der immer noch Toast und Marmelade in sich hineinstopfte. „Stecken Sie ein paar Plastikbecher ein, dann können wir aus dem Fluß trinken.“
    Draußen hupte ein Auto, und unmittelbar danach erschien Gibson an der Hintertür. Er hatte seine ausgebeulten grünlichen Tweedsachen an, die Knickerbocker schlotterten um seine dünnen Waden, und auf dem Kopf trug er einen alten Tweedhut.
    „Sind Sie soweit?“ fragte er, wobei er offenbar kaum damit rechnete.
    Aber wir waren bereit. Wir nahmen wasserdichte Anoraks und den Rucksack mit der Verpflegung, sagten Mrs. Lumley auf Wiedersehen und gingen in den strahlenden Morgen hinaus. Eisig drang die Luft in meine Nase, sie schnitt tief in die Lungen und gab mir das Gefühl, ich könne über das Haus springen.
    „Haben wir nicht Glück?“ jubelte ich. „Was für ein wunderschöner Tag.“
    „Es ist ganz in Ordnung“, sagte Gibson, und das war für ihn als Schotten das größte Maß an Begeisterung, das er aufbringen konnte.
    Wir kletterten in den Landrover. Auf dem Vordersitz war genug Platz für uns drei, aber Gibsons Hündin war nervös und sah so aus, als brauche sie Gesellschaft, deshalb beschloß ich, mich zu ihr nach hinten zu setzen. Am Anfang jaulte sie und war unruhig und ängstlich, aber nach einer Weile gewöhnte sie sich an das Rumpeln des Autos und legte sich hin, um zu schlafen, ihren

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