Ender 4: Enders Kinder
willst, daß es möglich ist.«
»Ja«, sagte Miro. »Aber nur, weil ich es will, bedeutet das noch lange nicht, daß es nicht auch wahr sein kann.«
»Aber du weißt es nicht.«
»Ich weiß es so gut, wie irgend jemand irgend etwas weiß. Wissen ist bloß eine Meinung, der du hinreichend vertraust, um danach zu handeln. Ich weiß nicht, daß die Sonne morgen aufgehen wird. Der Kleine Doktor könnte die Welt in die Luft jagen, bevor ich aufwache. Ein Vulkan könnte aus dem Boden aufsteigen und uns alle in tausend Stücke blasen. Aber ich vertraue darauf, daß der morgige Tag kommen wird, und aufgrund dieses Vertrauens handele ich.«
»Tja, ich vertraue nicht darauf, daß irgend etwas weiterbesteht, das an mich erinnert, wenn ich zulasse, daß Jane Ender als mein innerstes Selbst ersetzt«, sagte Val.
»Aber ich weiß – ich weiß –, daß das unsere einzige Chance ist, denn wenn wir dir nicht ein anderes Aiúa verschaffen, wird Ender dich auslöschen, und wenn wir Jane nicht einen anderen Ort verschaffen, der ihr physikalisches Selbst wird, wird auch sie sterben. Wie sähe denn nach deinem Dafürhalten ein besserer Plan aus?«
»Ich habe keinen«, sagte Val. »Wirklich nicht. Wenn Jane irgendwie dazu veranlaßt werden kann, in meinem Körper zu wohnen, dann muß es geschehen, weil Janes Überleben so wichtig für die Zukunft dreier Ramänner-Spezies ist. Darum werde ich dich nicht aufhalten. Ich kann dich nicht aufhalten. Aber denke nicht einen Augenblick lang, daß ich glaube, ich würde hinterher noch weiterexistieren. Du täuschst dich selbst, weil du es nicht ertragen kannst, der Tatsache ins Gesicht zu sehen, daß dein Plan von einer simplen Tatsache abhängt: Ich bin keine reale Person. Ich existiere nicht. Ich habe kein Recht darauf zu existieren, und deshalb ist mein Körper für jeden zu haben. Du redest dir ein, du liebtest mich und würdest versuchen, mich zu retten, aber Jane kennst du schon viel länger, sie war während deiner Monate der Einsamkeit als Krüppel deine treueste Freundin. Ich verstehe, daß du sie liebst und alles tun würdest, um ihr das Leben zu retten, aber ich werde nicht das vorgeben, was du vorgibst. Dein Plan läuft darauf hinaus, daß ich sterbe und Jane meinen Platz einnimmt. Du kannst das Liebe nennen, wenn du willst, aber ich werde es niemals so nennen.«
»Dann tu es nicht«, sagte Miro. »Wenn du denkst, du würdest es nicht überleben, tu es nicht.«
»Ach, halt die Klappe«, sagte Val. »Wie bist du bloß so ein pathetischer Romantiker geworden? Wenn du an meiner Stelle wärest, würdest du dann jetzt nicht Reden darüber halten, wie froh du bist, einen Körper zu haben, den du Jane überlassen kannst, und daß es sich lohnt, wenn du gleichermaßen zum Wohle von Menschen, Pequeninos und Schwarmköniginnen stirbst?«
»Das ist nicht wahr«, sagte Miro.
»Daß du keine Reden halten würdest? Na, komm schon, ich kenne dich doch besser«, sagte sie.
»Nein«, sagte Miro. »Ich meine, ich würde meinen Körper nicht aufgeben. Nicht einmal, um die Welt zu retten. Die Menschheit. Das Universum. Ich habe meinen Körper schon einmal verloren. Ich habe ihn durch ein Wunder zurückerhalten, das ich noch immer nicht begreife. Ich habe nicht vor, ihn kampflos aufzugeben. Verstehst du mich? Nein, du verstehst mich nicht, weil du keinen Kampfeswillen in dir hast. Ender hat dir keinen Kampfeswillen mitgegeben. Er hat dich zu einer grenzenlosen Altruistin gemacht, zur perfekten Frau, die alles um anderer willen aufopfert und sich ihre Identität aus den Bedürfnissen anderer Menschen erschafft. Tja, ich bin nicht so. Ich bin nicht froh, jetzt zu sterben. Ich habe vor zu leben. Das ist es, wie wirkliche Menschen empfinden, Val. Ganz gleich, was sie sagen, sie alle haben vor zu leben.«
»Von den Selbstmördern abgesehen?«
»Die hatten auch vor zu leben«, sagte Miro. »Selbstmord ist ein verzweifelter Versuch, sich von unerträglichem Schmerz zu befreien. Es ist kein edler Entschluß, jemanden, der wertvoller ist, an deiner Stelle weiterleben zu lassen.«
»Manchmal treffen Menschen eine derartige Wahl«, sagte Val. »Weil ich mich entscheiden kann, mein Leben für jemand anders hinzugeben, heißt das nicht, daß ich keine reale Person bin. Es heißt nicht, daß ich keinen Kampfeswillen in mir habe.«
Miro stoppte den Schwebewagen, ließ ihn auf dem Boden aufsetzen.
Sie befanden sich am Rand des Pequenino-Waldes, der Milagre am nächsten lag. Miro war sich der Tatsache
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