Endless: Roman (German Edition)
großartige
Verhörerfolge und all das. Aber in einem Bereich sieht der Arzt überhaupt noch keine Besserung, und ich muss ihm leider zustimmen. Es mangelt dir völlig an interpersonellen Kommunikationsfähigkeiten.« Eine weitere Akte landete auf Holtzmans Schreibtisch. »Du hast immer noch nicht überwunden, was deinem Partner in Berlin widerfahren ist, obwohl es ihm wieder ganz gut geht …«
»Außer dass er kein Gesicht mehr hat«, grunzte Alaric und warf noch eine Akte auf Holtzmans Schreibtisch.
»Deine Ressentiments gegenüber Bruder Henrique sind ein weiteres Beispiel. Was hat dir der Mann bloß getan? Gar nichts. Er hat diesen Exorzismus vermasselt. Es war sein erster. Er war noch jung. Weißt du, was ich bei meinem ersten Exorzismus gemacht habe?«
»Sie sind weggelaufen«, sagte Alaric.
»Genau«, antwortete Holtzman. »Man bekommt schreckliche Angst, wenn man zum ersten Mal in das Gesicht des Bösen blickt.«
»Nicht mehr Angst, als wenn man in das Gesicht eines Mannes blickt, der aus freiem Willen ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat«, erklärte Alaric.
»Das ist eine schlechte Angewohnheit von dir«, sagte Holtzman. »Du erwartest, dass jeder deinen Verhaltensmaßstäben entspricht.«
Alaric starrte ihn an. Der Mann wurde langsam senil … oder war er schon so oft am Kopf getroffen worden, dass er nicht mehr wusste, was er da redete?
»Ich erwarte keineswegs, dass Henrique Mauricio meinen Verhaltensmaßstäben entspricht«, erwiderte er. »Ich erwarte von ihm lediglich, dass er sich nicht so verhält,
dass ich ihn am liebsten zu Brei schlagen würde. Leider hat er meine Erwartungen bisher bei keinem Treffen erfüllt.«
»Ich verstehe«, entgegnete Holtzman freundlich. »Wenn man bedenkt, unter welchen Umständen du aufgewachsen bist, ist es verwunderlich, dass du nicht mehr Personen zu Brei schlagen willst. Ich habe einige Zeit gebraucht, um es dir abzugewöhnen, seit ich dich als Teenager von der Straße aufgelesen habe, wie du dich sicher erinnern wirst. Aber ein Teil von dir wird trotzdem noch wütend, wenn andere deine Meinung nicht teilen. Ich glaube, deshalb bist du auch so ärgerlich auf Meena Harper.«
Alarics Kopf fuhr hoch. »Ich bin nicht ärgerlich auf Meena Harper.«
»Das ist eine Lüge«, erwiderte Holtzman. »Warum regst du dich denn dann so über eine Theorie auf, die durchaus Gültigkeit besitzen könnte? Weißt du, was ich kürzlich gedacht habe?«
»Dass es in diesem Gebäude immer noch nach Kotze und Schulkreide stinkt? Das stimmt nämlich.«
»Wenn du Meena so sehr magst, dann solltest du dich mit ihr verabreden.«
Alaric steckte den Kopf in die Akten. »Ich verabrede mich nicht. Und außerdem habe ich sie einmal zum Abendessen eingeladen. Sie hat nein gesagt und wollte es lieber bei der beruflichen …«
»Was soll das heißen, du verabredest dich nicht?« Holtzman warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Das tun doch alle Singles. Und natürlich hat sie die Einladung in deine Wohnung zum Abendessen abgelehnt. Wenn ich eine Frau
wäre, käme ich auch nicht zu dir in die Wohnung. Das ist ja, als ob die Spinne die Fliege bitten würde, zu ihr ins Netz zu fliegen. Du bist wirklich ein nai…« Wieder landete eine Akte auf dem Schreibtisch. Holtzman ergriff sie und meinte: »Würdest du bitte damit aufhören? Ich habe dir doch gesagt, ich habe sie alle schon durchgesehen. Es gibt keine Übereinstimmungen.«
»Doch«, entgegnete Alaric und legte noch zwei Aktenmappen auf den Schreibtisch. »Sie sind alle nicht aus der Stadt.«
»Wie meinst du das?« Holtzman wurde noch wütender.
»Es waren alles Touristen, die hier in der Stadt Urlaub gemacht haben, als sie verschwanden«, erläuterte Alaric. »Die Anzeigen kommen alle aus den Bundesstaaten, in denen die Vermissten zu Hause waren, obwohl das Opfer in den letzten Monaten hier in Manhattan verschwunden ist. Sie wollten eine Übereinstimmung, und ich habe sie für Sie gefunden.«
»Entschuldigung«, sagte Holtzman und blickte auf die Akten auf seinem Schreibtisch. »Willst du im Ernst behaupten, dass da draußen jemand Touristen umbringt?«
»Sieht so aus«, antwortete Alaric. Er blätterte durch eine Akte. »Hier ist eine ganze Familie. Die O’Brians aus Illinois, eine fünfköpfige Familie. Zuletzt wurden sie vom Portier in ihrem Hotel in Midtown gesehen, als sie ihn fragten, wie sie zur M&M World kämen. Sie haben nie ausgecheckt, aber niemand schien sich etwas dabei gedacht zu haben, bis Mr O’Brian nicht
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