Endless: Roman (German Edition)
Fenster saß und die illustrierten Seiten eines Buches umblätterte –, schien beinahe aus seiner eigenen Erinnerung zu stammen.
Es war eines der Bilder, die ihm der Mannette für immer rauben sollte, weil er fand, dass sie ihn nur quälten – wie das Wissen, dass es Meena Harper zwar gab, aber dass sie nie mit ihm zusammen sein würde.
Wie konnte das alles jetzt passieren, wo er so nahe war?
Und warum? War dies eine Art letzte Versuchung, ein Test, um zu prüfen, ob er endlich der dunklen Krone würdig war?
Oder war es etwas anderes? Eine unvorhergesehene Freigabe des Vatikans von historischen Dokumenten und Kunstwerken? Eine Ausstellung dieser Objekte im Metropolitan Museum of Art, in dessen Nähe er sich den Gerüchten nach befand? Und dann …
»Gestern Abend«, murmelte er erstaunt, »das war eine Inszenierung. Das muss einfach so sein. Ich sollte aus meinem Versteck gekrochen kommen, wenn ich in der Nähe war. Und sie war der Köder.«
»Ich weiß nicht, ob ich dir folgen kann, Sire«, sagte Emil. »Sprichst du von Miss Harper?«
Lucien ignorierte ihn. »Sie wusste es nur nicht. Ich könnte schwören, dass sie es nicht wusste. Diese verdammten seelenlosen Bastarde.«
»Sire«, sagte Emil, »ich weiß nicht, wovon du sprichst. Wer ist ein verdammter seelenloser Bastard?«
»Wir nicht dieses Mal, Emil.« Lucien schüttelte den Kopf. »Du kannst es mir glauben: wir nicht.«
»Nun«, erwiderte Emil, »wir wussten ja immer, dass sie es waren. Deswegen kam ich auch sofort hierher, als ich es hörte. Ich wusste, dass du mich brauchen würdest. Ich würde vorschlagen, wir verschwinden so bald wie möglich von hier. Zwar mag dieser Ort über große Kräfte verfügen, aber die Macht des Palatinats ist größer. Mary Lou und ich werden einen anderen Ort für dich finden …«
»Nein.« Lucien schüttelte den Kopf.
»Nicht nötig. Ich gehe. Letztendlich habe ich das immer
vorgehabt, aber erst musste ich dazu bereit sein.« Er warf Emil einen stählernen Blick zu. »Und ich werde nicht gehen ohne das, was rechtmäßig mir gehört.«
Seufzend setzte Emil sein Weinglas ab.
»Mylord, sie rechnen doch damit, dass du das Buch entwendest. Deshalb stellen sie es doch überhaupt aus. Es ist schließlich der Vatikan. Heute Abend ist die Gala, um die Eröffnung der Ausstellung in den Vereinigten Staaten zu feiern. Alle aus der Erzdiözese werden da sein. Und auch alle aus dem Palatinat. Sie werden auf dich warten.«
»Darauf zähle ich«, sagte Lucien mit einem roten Glühen in den Augen.
»Dann hast du also gar nicht das Buch deiner Mutter gemeint, als du sagtest, du wolltest nicht gehen ohne das, was rechtmäßig dir gehört?« Emil warf ihm einen unbehaglichen Blick zu.
»Nein«, erwiderte Lucien.
Emil ergriff erneut sein Weinglas und leerte es in einem Zug.
»Das habe ich befürchtet«, sagte er.
14
Jon schob die Sonnenbrille hoch und betrachtete blinzelnd das Objekt, das auf der Kante des Daches hockte.
»Kannst du einen Unterschied sehen?«, fragte er.
»Ich glaube, er schielt lüstern auf dich«, sagte sein bester Freund Adam.
»Sein Gesichtsausdruck ist mir egal«, antwortete Jon. »Ist er tot?«
»Na ja«, meinte Adam, »schwer zu sagen, wenn man bedenkt, dass er ja nie lebendig war.«
Jon runzelte die Stirn. Adam hatte recht. Der Gartenzwerg balancierte zwischen dem Dach seines Hauses und dem Nachbarhaus und zeigte nicht nur keine Anzeichen dafür, dass er auf ihn geschossen hatte, sondern hatte auch noch spöttisch das Gesicht verzogen.
Jon fuhr sich mit der Hand über seine Bartstoppeln. Seine Koteletten wuchsen nicht so schnell, wie er gehofft hatte. Wenn er hinter dem Tresen im Coffee Shop stand, hatte er viel Zeit zum Nachdenken – außer wenn Yalena hereinkam, was ihn immer ablenkte –, und er hatte beschlossen, dass er vielleicht eine bessere Chance hätte, als Soldat der Geheimen Garde eingestellt zu werden, wenn er ein bisschen mehr danach aussah. Alaric Wulf zum Beispiel wirkte wie ein blonder Captain America.
Jon wusste natürlich, dass er diese Brillanz nie erreichen würde, aber ein bisschen mehr Wildheit in seinem persönlichen Stil konnte bestimmt nichts schaden.
Er warf Adam einen Blick zu. Adam würde nie mehr als die zweite Geige sein. Dabei war es nicht seine Schuld. Es war einfach die Rolle, zu der er geboren war. Jon war eigentlich froh, dass das bei ihm nicht so war. Das würde nerven.
»Vielleicht wirkt es ja, und Zwerge sind immun gegen UV-Strahlen«, meinte
Weitere Kostenlose Bücher