Endless: Roman (German Edition)
einen Schluck Cola aus der Dose, die er in der Hand hatte. »In New Jersey? Warum das denn?«
»Weil« – Meena richtete sich auf –, »weil ich gestern Abend David Delmonico getötet habe.«
Jonathan verschluckte sich und prustete Cola auf den Monitor seines Laptops. Einzelne Tropfen flogen sogar bis zum Fernsehbildschirm, aber er achtete nicht darauf. Er starrte Meena entsetzt an.
»Was?«
»Jemand hat ihn in einen Vampir verwandelt«, erklärte
Meena. Sie trat an die Couch, ergriff die Fernbedienung und stellte den Fernseher leiser. »Er hat mich angegriffen. Ich habe ihn gepfählt. Das war seine Mutter, die heute Morgen angerufen hat. Ich musste in New Jersey mit der Polizei sprechen. Ist noch Pizza da? Ich bin am Verhungern.«
Jonathan starrte sie immer noch an. Hoffentlich konnte er nicht sehen, dass sie geweint hatte. Bevor Alaric sie abgesetzt hatte, hatte sie versucht, sich alle Tränenspuren abzuwischen.
Sie hatte zwar nichts dagegen, dass ihr Bruder sah, wie sehr sie die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden mitgenommen hatten, aber sie wollte verhindern, dass er sich genauso aufregte wie sie. Sie standen sich sehr nahe … schließlich hatten sie beide die Erziehung ihrer Eltern überlebt, die überhaupt nicht dazu geeignet gewesen waren, Kinder zu haben.
Peinlich berührt von einer Tochter, die jedem, den sie kennenlernte, mitteilte, wie er sterben würde, beschlossen Mr und Mrs Harper, einem Psychiater zu glauben, der ihnen erklärte, das Problem würde schon vergehen, wenn sie ihr Kind nicht ermutigen würden.
Aber weil Meena ihre Freunde und Verwandten aus dem Wunsch heraus informierte, ihren Tod zu verhindern, und nicht, um Aufmerksamkeit zu erlangen, produzierte die ablehnende Haltung ihrer Eltern einen neurotischen, isolierten Teenager, aus dem dann – wie so häufig – eine neurotische, isolierte Autorin wurde.
Stattdessen konzentrierten die Harpers sich auf ihren sportlichen, beliebten Sohn Jonathan, aus dem ein erfolgreicher, offener junger Mann wurde …
… bis er seinen Job als Finanzanalyst verlor.
Mr und Mrs Harper fanden, dass er dadurch nur auf sich aufmerksam machen wollte, und zeigten ihm die kalte Schulter, weil sie glaubten, er würde umso schneller wieder auf die Beine kommen, wenn er sich nicht auf seine Eltern stützen könnte.
Das wäre sicher ein korrektes Verhalten gewesen, wenn er seinen Job wegen Drogen oder mangelnder Leistung verloren hätte.
Aber Jonathan war einfach, wie Millionen andere auch, während der Rezession entlassen worden.
Also nahm Meena ihren großen Bruder bei sich auf, als er seine Miete nicht mehr bezahlen konnte, und Jonathan versuchte, Meena vor den Dracul zu retten, die ihr unbedingt das Blut aussaugen wollten, damit sie ebenfalls die Zukunft vorhersagen konnten.
Meena liebte ihren Bruder und würde alles für ihn tun, und sie wusste, dass er genauso für sie empfand. Sie hatten nur einander.
Doch sie wusste auch, dass er mit manchen Dingen einfach nicht umgehen konnte. Deshalb hatte die Geheime Garde auch sie eingestellt und nicht ihn, obwohl er unbedingt einen Job dort haben wollte.
»Das überrascht mich gar nicht, dass David Delmonico in einen Vampir verwandelt worden ist und versucht hat, dich umzubringen.« Jonathan ergriff eine Pizzaschachtel vom Fußboden und reichte sie Meena. »Der Typ war so ein Arschloch, ich weiß sowieso nicht, was du jemals an ihm gefunden hast. Wollte er nicht jedem Veneers verpassen?«
Meena nahm sich ein Stück Pizza. Hoffentlich merkte Jonathan nicht, wie sehr ihre Hände zitterten. Sie hatte sich immer noch nicht beruhigt.
Aber das war ja auch kein Wunder nach allem, was Alaric ihr im Auto über die verschwundenen Touristen erzählt hatte.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Als ich ihn kennenlernte, war er süß.«
»Er hatte doch anscheinend das Verfallsdatum schon auf der Stirn eingraviert«, entgegnete Jonathan. »Ich fasse es ja nicht, dass gerade du ihn ins Jenseits geschickt hast. Hat er nicht eine Krankenschwester oder so geheiratet?«
Meena zuckte zusammen. »Ja«, antwortete sie, »Brianna. Sie wird auch vermisst.«
»Vermisst?« Jonathan blickte sie aufgeregt an. »Ehrlich? Hat David sie getötet?«
Meena ließ die Pizzakruste in die Schachtel fallen.
»Weißt du was?«, sagte sie. »Es war ein langer Tag, und mir ist nicht so nach Reden zumute. Ich möchte eigentlich nur noch ein Bad nehmen. Dann muss ich mich umziehen, weil ich noch einmal weg …«
Jonathan nahm
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