Endlich geborgen
berührte mit dem Finger ihre Wange. Sie rührte sich nicht, wehrte ihn aber auch nicht ab. „Es ist so.”
Gabriel fühlte ihren Atem auf seiner Hand und versuchte, nicht auf das heftige Verlangen zu achten, das ihn erfasste.
„Kevin und ich haben nicht im Auto geschlafen, und wir haben auch immer gegessen”, erklärte sie und lächelte, als sie zurücktrat. „Es geht uns gut. Wirklich.”
„Das stimmt nicht”, entgegnete er, aber er sagte es nicht vorwurfsvoll. „Du hast ein Problem, Lady. Und du wirst es nicht lösen, indem du so tust, als wäre es nicht da.”
„Ich denke, dass ist meine Sache, nicht deine.” Sie gab die Eier auf einen Teller. „Das Frühstück ist fertig, und ich nehme an, du willst vorher noch ins Badezimmer gehen.”
„Melanie …”
„Hier riecht etwas sehr gut”, sagte eine tiefe Männerstimme von der Hintertür her. „Ich hoffe, Sie haben etwas übrig.”
Melanie wirbelte herum. Der Teller in ihrer Hand fiel zu Boden und zerbrach.
Lucian betrachtete den Schaden. „Vermutlich nicht.”
„Verdammt, Lucian, musst du dich so heranschleichen?” fuhr Gabriel ihn an.
„Ich habe vorn angeklopft, aber es hat niemand aufgemacht, also ging ich ums Haus herum.” Lucian sah Melanie an und lächelte. „Verzeihen Sie, dass ich Sie erschreckt habe.”
Er hat sie nicht nur erschreckt, dachte Gabriel. Er hat sie in Panik versetzt. Sie war blass geworden, und ihre Augen wirkten riesig. Was, zum Teufel, ging in dieser Frau vor?
Jemand verfolgte sie. Er spürte es genau. Jemand, der ihr wehtun wollte. Warum sonst würde sie sich so verhalten?
Er würde es herausfinden. Auf die eine oder andere Weise.
„Nein, mir tut es Leid”, sagte sie verlegen. „Ich bin einfach zu schreckhaft.”
Sie beugte sich im selben Moment hinunter wie Gabriel, und ihre Knie berührten sich. Sie stützte sich mit der Hand auf seinen Schenkel, dann zuckte sie zurück und begann, die Scherben aufzusammeln.
„Sie müssen Melanie sein.” Lucian nahm eine Rolle Papiertücher von der Wand und wischte die Eier auf.
„Wir kümmern uns darum.” Gabriel nahm ihr die Scherben aus der Hand, ohne auf das Hitzegefühl zu achten, das ihn dabei durchströmte.
Sie zögerte, dann nickte sie Lucian lächelnd zu. „Ich werde noch einige Eier braten, solange die Pfanne noch heiß ist.”
Zu Gabriels Ärger erwiderte Lucian ihr Lächeln. „Das soll mir recht sein.”
„Willst du etwas Bestimmtes, Lucian?” Gabriel wickelte die Scherben in mehrere Papiertücher und drückte das Bündel Lucian in die Hände. „Außer etwas zu Essen?”
Lucians Lächeln vertiefte sich. „Die Maler werden in einer Stunde hier sein. Ich dachte nur, ich überprüfe noch mal die Liste, die du mir gestern gegeben hast.”
Stirnrunzelnd betrachtete Gabriel seinen Bruder. Er wusste genau, warum Lucian gekommen war. Und das hatte weniger mit den Malern oder einer Liste zu tun als mit einer geheimnisvollen Frau mit dunklem Haar. Gestern Abend in der Taverne hatte Gabriel Melanie und Kevin beiläufig gegenüber seinen Brüdern erwähnt. Sie hätten es ohnehin bald herausgefunden.
Ihm gefiel Lucians Gesichtsausdruck nicht. Genau diesen Ausdruck hatte er schon oft gesehen, wenn Lucian eine Frau betrachtete. Nur hatte ihm das bisher nie etwas ausgemacht.
„Hey, Bruder.” Lucian betrachtete Gabriels Socken. „Pass auf, wo du hintrittst.”
„Dasselbe wollte ich gerade zu dir sagen.”
Lucian grinste. „Ich mache das hier fertig, während du dich wäschst. In meinem Wagen sind ein Kamm und ein Rasierer. Du siehst heute Morgen etwas zerknittert aus.”
Gabriel bezweifelte nicht, dass es Lucian aufgefallen war, wo er die Nacht verbracht hatte.
Das würde er später klarstellen. Niemand sollte glauben, er hätte woanders als auf dem Sofa geschlafen.
Melanie blickte durch das Küchenfenster und sah Gabriel und Lucian im Gespräch miteinander. Die Erinnerung an vergangene Nacht stieg in ihr hoch.
Sie hatte in der Dunkelheit gelegen in dem Bewusstsein, dass Gabriel unten war. Sie hätte nur zu ihm gehen müssen, und der Schmerz hätte nachgelassen. Es wäre so einfach gewesen, mit einem Fremden zu schla fen, zu wissen, dass es keine Verwicklungen geben würde. Nur Lust und Verlangen.
Aber so naiv war sie nicht. Sie ahnte, dass es um mehr als nur Begierde ging zwischen ihr und Gabriel. Eine seltsame Anziehung. Und das hatte sie aufgehalten. Das konnte sie nicht zulassen. So durfte sie nicht empfinden, nicht für ihn, für keinen
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