Endlich geborgen
Mann. Nicht jetzt. Vielleicht niemals.
„Mama.” Kevin zupfte an ihrem Hosenbein. „Darf ich jetzt mit Batman spielen?”
Sie wandte sich vom Fenster ab, hob ihren Sohn hoch und drückte ihn an sich, bis er lachte. „Natürlich darfst du, Liebling. Aber erst, wenn du mir einen Kuss gegeben hast.”
Er schlang die Ärmchen um ihren Hals, spitzte die Lippen und küsste hörbar ihre Wange.
„Darf ich jetzt?”
Sie umarmte ihn noch einmal, dann stellte sie ihn ab, und er lief nach oben ins Schlafzimmer, wo er seine Spielsachen aufgebaut hatte.
Jetzt hörte sie, wie mehrere Wagen die Auffahrt herauffuhren, und sie fühlte einen Druck in der Magengegend. Als sie sich wieder zum Fenster umwandte, sah sie, wie Gabriel zu einem Lkw mit Leitern und Farbeimern trat. Wenn sie hier bleiben wollte, musste sie sich daran gewöhnen, dass Fremde zum Haus kamen und gingen.
Sie beobachtete, wie Gabriel auf das Haus deutete und den drei Männern Anweisungen gab. Langsam ließ die Anspannung nach. Irgendwie gab ihr seine Anwesenheit hier ein Gefühl der Sicherheit.
Sie trat vom Fenster zurück. Jetzt würde sie mit ihrer Arbeit beginnen, die Cara ihr aufgetragen hatte.
Die Gelegenheit, ein Haus wie dieses zu durchforschen, war ein Traum eines jeden Antiquitätenhändlers.
Im Wohnraum zog sie die Schutztücher von dem Sofa vor dem Kamin. Standarddesign der 40er Jahre, burgunderrot. Gut erhalten, aber nichts, über das man in Ekstase geraten könnte.
Bis sie daran dachte, wie sie letzte Nacht auf diesem Sofa in Gabriels Armen gelegen und ihn geküsst hatte. Wie er sie geküsst hatte. Seine Hände auf ihrer Haut, ihren Brüsten. Bei der Erinnerung daran schlug ihr Herz schneller.
Sie setzte sich auf den Sofarand und strich über den rauen Stoff. Als sie am Morgen die Treppe heruntergekommen war und ihn hier schlafend gesehen hatte, war es ein merkwürdiges Gefühl gewesen. Er hatte so jung und verletzlich gewirkt.
Die vordere Tür wurde geöffnet, und Gabriel kam herein: Sein Blick glitt zu ihr, dann zum Sofa und wieder zu ihr. Sie wusste, er dachte an die vergangene Nacht, genauso wie sie es tat, und fühlte, wie sie errötete.
„Die Maler werden einige Tage bleiben”, erklärte er. „Sie haben draußen zu tun, aber zuweilen werden sie das Bad benutzen oder mit mir sprechen wollen.”
„Sollte ich im Weg sein, kannst du …”
„Nein. Ich wollte nur vermeiden, dass …” Er zögerte. „Dass du überrascht wirst.”
Er meint erschreckt, dachte sie. Vermutlich fürchtete Gabriel, sie würde noch mehr Geschirr zerschlagen.
„Ja, in Ordnung”, erwiderte sie betont gleichmütig.
„Ich arbeite oben im Badezimmer. Wenn du etwas brauchst, lass es mich wissen.”
„Danke.”
Er ging die Treppe hinauf. Sie blickte ihm nach, bis er verschwunden war, dann betrachtete sie wieder das Sofa.
Wenn du etwas brauchst, lass es mich wissen.
Sie erschauerte.
Dann wandte sie sich seufzend wieder ihrer Arbeit zu.
Die Arbeit an der Badewanne erwies sich als genauso schwierig wie die am Waschbecken.
Gabriel bemühte sich, nicht zu fluchen, und vermutlich wäre er schneller fertig gewesen, wäre Kevin nicht mehrmals gekommen, um zuzuschauen.
Kevins Mutter hatte er den ganzen Morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und das war auch gut so. Da er versprochen hatte, sie nicht mehr anzufassen und zu küssen, würde er lieber Abstand halten. Denn er konnte an kaum etwas anderes denken als daran, sie noch einmal in die Arme zu nehmen.
Und das Schlimmste war, er stellte sich viel mehr vor als nur das.
Die nächsten Tage würden zweifellos unangenehm werden. Aber verdammt, warum sollte er durchs Haus schleichen aus Angst, ihr zu begegnen.
Er warf die Zange in den Werkzeugkasten, wusch sich die Hände, um hinunter in die Küche zu gehen. Er hatte Hunger, und wenn er etwas zu essen brauchte, dann würde er es sich holen.
Auf der Treppe sah er sie und blieb plötzlich stehen. Sie kniete neben einer Lampe.
Sein Hals wurde trocken, als er sah, wie sie sanft über das farbige Glas strich.
In diesem Moment hob sie den Kopf und entdeckte, dass er sie beobachtete. Und es geschah etwas, was er nicht erwartet hatte.
Sie lächelte.
Es verschlug ihm beinahe den Atem. Verdammt, er hätte doch oben bleiben sollen.
„Gabriel.” Sie flüsterte seinen Namen. „Komm her, das musst du dir ansehen.”
Er ging zu ihr, kniete sich neben ihr nieder und zwang sich, sich auf die Lampe zu konzentrieren, die sie so liebevoll berührte.
„Es ist
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