Endlich nur noch Liebe
hatte nur einen kurzen dunkelblauen Bademantel an, dessen Gürtel er lose zugebunden hatte. Seine gebräunte Haut und die dunklen Härchen auf seiner Brust waren deutlich zu sehen. Kelly errötete bei der Vorstellung, wohin solche Gedanken führten, und wandte sich ab.
"Ja, das ist sie, und so soll es auch bleiben. Ich möchte nicht, dass deine Schwägerin sich in die Erziehung einmischt", erwiderte sie. "Olivia wird doch mit uns essen, oder?" fragte sie betont kühl.
Um vier waren sie in der Casa Maldini angekommen. Zu Kellys Überraschung
hatte Carmela sie herzlich begrüßt und sich dafür entschuldigt, dass sie sie damals nicht freundlicher behandelt hatte. Anna war auch noch da. Sie war verlobt und wollte im August heiraten.
Annalou hatte sich sogleich in dem Haus wohl gefühlt. Sie fühlte sich im
Gegensatz zu ihrer Mutter von dem großen Gebäude und den vielen
Hausangestellten nicht eingeschüchtert. Die einzige Person, die Kelly noch nicht gesehen hatte, war Olivia.
Gianfranco ging um das Kinderbett herum und blieb neben Kelly stehen.
"Olivia wird nicht mit uns essen. Sie ist gar nicht mehr hier."
"Wie bitte? Aber gestern Abend hast du gesagt..." Kelly verstummte. Er hätte weder bestätigt, dass Olivia noch im Haus wohnte, noch hatte er erklärt, sie sei nicht mehr da. "Du hast mich glauben lassen ..."
Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch. "Was du glauben wolltest, meine Liebe. Ich wollte meine Frau und meine Tochter mit nach Hause nehmen, und um das zu erreichen, war mir jedes Mittel recht. Vergiss das nicht."
"Olivia ist weg? Seit wann?" Kelly konnte es immer noch nicht glauben.
"Sie ist einige Wochen nach dir gegangen. Sie ist jetzt mit einem Banker verheiratet und lebt in der Schweiz."
Kelly senkte den Kopf, um ihr Erstaunen zu verbergen, und blickte ihn unter halb geschlossenen Lidern hervor an. Er wirkte nicht so, als wäre er traurig oder deprimiert darüber, dass er Olivia verloren hatte. Stattdessen betrachtete er bewundernd Kellys schlanke Gestalt. Sie hatte sich schon umgezogen zum
Abendessen und trug ein blaues Seidenkleid mit Spaghettiträgern. Plötzlich spürte sie, dass sich ihre Brustspitzen aufrichteten. Es war ihr peinlich. Und als sie den Blick über seinen Körper unter dem leicht geöffneten Bademantel
gleiten ließ, gestand sie sich ein, dass er der wunderbarste Mann war, den sie je gesehen hatte.
"Du liebe Zeit, zieh dir etwas an!" rief sie aus und eilte an ihm vorbei zur Tür.
"Wir essen um neun!" Verdammt, ich höre mich an wie seine Mutter, dachte sie gereizt.
Kelly bekam kaum einen Bissen hinunter, obwohl sie den ganzen Tag über so gut wie nichts gegessen hatte. Sie hatte Ellen angerufen und gebeten, sich um das Haus zu kümmern. Dann waren sie von Exeter in einem Privatjet nach
Verona geflogen und mit dem Auto zur Casa Maldini gefahren. Es war alles so schnell gegangen, dass sie sich noch wie betäubt fühlte.
Sie sah Gianfranco, der am Kopfende des Tisches saß, kurz an, ehe sie Carmela anlächelte. "Es war ein langer Tag, und ich bin müde. Entschuldigt mich bitte, ich möchte mich hinlegen."
"Natürlich, das ist doch verständlich", antwortete Carmela.
"Du hast eine schlimme Woche hinter dir und solltest dich ausruhen", erklärte Gianfranco freundlich. "Schlaf gut."
Da hat er Recht, dachte sie und unterdrückte ein Gähnen. Tom war gestorben, fünf Tage später war er beerdigt worden, und am nächsten Tag war Gianfranco aufgetaucht. Ihr wurde auf einmal bewusst, dass sie eine Woche lang nur wenig geschlafen hatte. Dass Gianfranco Mitgefühl für sie hatte, war erstaunlich. Sie hätte es ihm nicht zugetraut.
"Gute Nacht", sagte sie, ohne ihn anzublicken. Dann verließ sie rasch den Raum.
Anna hatte ihr das weiße Baumwollnachthemd auf das breite Bett gelegt. Es war dasselbe Zimmer wie damals, und Kelly fragte sich, ob Gianfranco noch im angrenzenden Raum schlief. Sogleich verdrängte sie den Gedanken. Wenn sie ihr seelisches Gleichgewicht nicht verlieren wollte, durfte sie sich ihren Mann nicht in irgendeinem Bett vorstellen.
Nachdem sie geduscht und sich abgetrocknet hatte, schlüpfte sie in das
Nachthemd. Als sie sich im Spiegel betrachtete, verzog sie das Gesicht. Ohne Make-up und mit den dunklen Rändern um die Augen sah sie in dem schlichten weißen Nachthemd aus wie ein Gespenst.
Sie zuckte die Schultern und ging ins Kinderzimmer. Annalou schlief tief und fest, und Kelly hoffte sehr, dass das Kind so glücklich bleiben würde, wie es
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