Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
ein S aussieht?«
Alle mustern die Rosen.
»Da draußen gibt es Schlangen«, sage ich.
»Nein, so etwas … mitten auf dem Land«, erwidert Maeve lachend.
»Vor nicht einmal einer Stunde hätte mich beinahe eine gebissen.«
»So, wie du dich aufgeführt hast, hätte man meinen können, ein Krokodil würde dir gerade den Arm abreißen. Das arme Tier wird eine Psychotherapie brauchen, um den posttraumatischen Stress zu verarbeiten«, stichelt Helen.
»Das war ein abscheuliches, boshaftes Geschöpf mit silbrigen Augen und einer violetten Zunge«, behaupte ich schaudernd.
»Du hast sie nicht einmal richtig gesehen! Es war eine vollkommen harmlose Diamantpython. Die ist hier zu Hause, wir sind die Eindringlinge«, erinnert Helen mich.
»Mein Sohn hatte mal eine sehr charmante Phase, in der sein Lieblingshaustier eine Diamantpython war«, erzählt Maeve. »Sie sehen vielleicht nicht so aus, aber sie sind wirklich harmlos.«
»Ich hätte mir beinahe den Knöchel verrenkt, als ich geflohen bin«, beharre ich.
»Und das in deinen schicken neuen Joggingschuhen«, spöttelt Helen.
»Du hast deinem Sohn erlaubt, eine Python als Haustier zu halten?«, fragt Ereka.
»Es schien mir das Klügste zu sein, damit er möglichst rasch da herauswächst. Ich habe mich bei der Erziehung immer nach dem Grundsatz gerichtet, wirklich nur im Notfall nein zu sagen. Wenn ich ihm die Python nicht erlaubt hätte, wäre er heute wahrscheinlich Schlangenbeschwörer.«
An Maeve finde ich vieles bewundernswert. Und ich bin sicher, dass sie mir zustimmen würde: Jamie die Reise nach Borneo nicht zu erlauben ist genau so ein Notfall.
»Wie viele Kinder hast du denn?«, fragt Helen.
»Nur eines, obwohl man bei Jonah kaum von einem Kind sprechen kann. Er ist dreiundzwanzig«, antwortet Maeve.
»Du hast wohl jung angefangen?«
»Ich habe ihn mit fünfundzwanzig bekommen.«
»Und dein Mann?«
Maeve lacht kehlig. »Ich glaube, ich hatte mal einen.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Wir sind in die Scheidungsstatistik eingegangen. Im gegenseitigen Einverständnis.« Mehr sagt sie dazu nicht.
»Du warst also fast die ganze Zeit alleinerziehend?«, fragt Ereka.
Maeve nickt.
»Das ist hart.«
Maeve lächelt milde. »Es war nicht so katastrophal, wie man sich das vorstellt. Man ist immerhin autonom in allen Entscheidungen und braucht mit niemandem zu verhandeln. Privatschulen kann man sich unmöglich leisten, damit fällt diese Frage schon mal weg. Dafür ist es angenehmerweise tatsächlich bezahlbar, mit nur einem Kind wegzufahren – ich bin mit Jonah viel herumgereist, meist aus beruflichen Gründen. Ich kann nicht behaupten, dass ich es als extrem zermürbend empfunden hätte, alleinerziehende Mutter zu sein. Allerdings habe ich ja auch nur ein Kind.«
»Trotzdem hört man so etwas nicht oft von alleinerziehenden Müttern«, sagt Ereka. »Warte nur, bis CJ kommt – dann dürfen wir uns einiges darüber anhören, wie grauenhaft das ist.«
»Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, mich allzu viel mit den negativen Aspekten der Dinge zu beschäftigen.«
»Oh, ich kann es kaum erwarten, dass du CJ kennenlernst«, sagt Helen mit einem fiesen Kichern.
»Alleine leben … wie ist das?«, fragt Ereka ein wenig sehnsuchtsvoll.
»Erstaunlich wunderbar. Aber es geht so schnell«, sagt Maeve und schnippt mit den Fingern. »Gerade noch war Jonah sechs, und nachdem ich nur einmal kurz geblinzelt habe, war er achtzehn und stand mit gepacktem Koffer und einem Weltreiseticket vor mir und scharrte mit den Hufen, Freiheit und Unabhängigkeit schon vor Augen. Noch einen Moment später war er dann weg.«
»Levi ist jetzt sechs. Es kommt mir noch ewig vor …«, sagt Helen nachdenklich.
»Du bist schon zu lange dabei. Vierte Runde«, erinnere ich sie.
»Aber der Tag kommt für alle von uns, früher oder später«, sagt Maeve. »Sie gehen zu lassen gehört unvermeidlich dazu, wenn man Kinder hat.«
Eine Pause entsteht. Ereka schnieft leise.
»In meinem Fall wahrscheinlich nicht.«
Maeve sieht sie fragend an.
»Meine Tochter Olivia ist geistig behindert. Sie geht nirgendwohin.«
»Wie stark ist sie von dir abhängig?«, fragt Maeve mitfühlend.
»Olivia wird immer jemanden brauchen, selbst für die einfachsten Dinge des Lebens. Wenn ich das eines Tages nicht mehr kann, weiß ich nicht, wer …«
Ältere Mütter blicken dem leeren Nest stets voller Grauen entgegen. Schlimmer jedoch ist das Nest, das jemand nie verlassen wird, weil er es
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