Endlich
in alle Ewigkeit weitergefoltert zu werden, wenn ich mich nicht erhole und wohl auch am Ende, wenn ich’s tue.
Unter der erstaunlichen und schmeichelhaft hohen Zahl von Leuten, die mir geschrieben haben, als ich so krank wurde, haben es nur sehr wenige unterlassen, eins von zwei Dingen zum Ausdruck zu bringen. Entweder haben sie mir versichert, sie wollten mich nicht beleidigen und schlössen mich deshalb nicht in ihre Gebete ein, oder sie bestanden liebevoll darauf, es eben doch zu tun. Fromme Websites widmeten dieser Frage besonderen Raum. (Falls Sie dies rechtzeitig lesen, denken Sie unbedingt daran, dass der 20. September 2010 bereits zum »Wir-beten-alle-für-Christopher-Hitchens-Tag« ernannt worden ist.) Pat Archbold vom National Catholic Register und Pfarrer Greg Kandra waren unter den Katholiken, die mich als würdigen Gegenstand ihres Gebets empfanden. Rabbi David Wolpe, Autor des Buches Warum Glauben wichtig ist , und die Oberhäupter der wichtigsten jüdischen Gemeinden in Los Angeles sagten dasselbe. Mit ihm habe ich öffentlich über Religion debattiert und ebenso mit verschiedenen evangelikalen Konservativen wie Pastor Douglas Wilson vom New Saint Andrew College und Larry Taunton von der Fixed Point Foundation in Birmingham, Alabama. Beide schrieben mir, ihre Gemeinden würden für mich beten. Und bei ihnen kam ich zuerst auf den Gedanken, zurückzuschreiben: Beten wofür?
Wie viele der Katholiken (die meist ebenso sehr darum beten, dass ich den Glauben finde, wie darum, dass ich gesund werden soll) waren sie sehr aufrichtig. Die Errettung war die Hauptsache. »Wir sind gewiss auch um Ihre Gesundheit besorgt, aber das ist eine ganz nachrangige Überlegung. ›Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?‹ [Matthäus 16, 26].« Das war Larry Taunton. Pastor Wilson erwiderte, als er die Nachricht erhielt, habe er um drei Dinge gebetet: dass ich die Krankheit überwinden möge, dass ich meinen Frieden mit der Ewigkeit machte und dass dieser Vorgang uns beide wieder in Kontakt bringen solle. Er konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, mich mit dem Hinweis zu necken, dass die dritte Bitte bereits erfüllt worden sei …
So gibt es also respektable Katholiken, Juden und Protestanten, die durchaus meinen, es würde sich – in irgendeinem Sinne des Wortes – lohnen, mich zu retten. Die muslimische Seite war eher schweigsam. Ein iranischer Freund hat ein Gebet für mich am Grab von Omar Khayyam sprechen lassen, dem größten Dichter der persischen Freidenker. Das YouTube-Video, das den für mich durchzuführenden Gebetstag ankündigt, wird von dem Lied »I Think I See the Light« begleitet, gesungen von genau dem Cat Stevens, der als »Yusuf Islam« einst den hysterischen Aufruf der iranischen Theokratie unterstützte, meinen Freund Salman Rushdie zu ermorden. (Der banale Text dieses Lebenshilfe-Songs scheint übrigens an eine Frau gerichtet.) Und diese scheinbare ökumenische Solidarität birgt noch weitere Widersprüche. Würde ich plötzlich verkünden, ich hätte mich zum Katholizismus bekehrt, dann – ich weiß es – würden Larry Taunton und Douglas Wilson glauben, ich hätte einen verhängnisvollen Fehler begangen. Wenn ich mich andererseits irgendeiner ihrer evangelikalen Gruppen anschlösse, würden die Anhänger Roms kaum glauben, meine Seele sei in größerer Sicherheit als zuvor, während eine späte Entscheidung für das Judentum oder den Islam mir unvermeidlicherweise viele Gebete beider christlicher Parteien entziehen würde. Wieder einmal sympathisiere ich mit dem großen Voltaire, der auf dem Totenbett, als man ihn bedrängte, dem Teufel zu widersagen, murmelte, das sei jetzt nicht der Augenblick, sich Feinde zu machen.
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Der dänische Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr hängte einmal ein Hufeisen über seiner Tür auf. Bestürzte Freunde riefen, er glaube doch gewiss nicht an einen derartigen Unsinn. »Nein, das tue ich nicht«, antwortete er gelassen, »aber anscheinend funktioniert es, ob man nun daran glaubt oder nicht.« Das mag die sicherste Schlussfolgerung sein. Die umfassendste Untersuchung des Gegenstandes, die man je durchgeführt hat, die »Studie zu den therapeutischen Auswirkungen des Fürbittgebetes« aus dem Jahre 2006, konnte keinerlei Korrelation finden zwischen Zahl und Regelmäßigkeit der Gebete einerseits und andererseits der Wahrscheinlichkeit, dass der Patient, für den gebetet wurde, bessere
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