Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
durch Fürstin Gracia Patricia riss er das Geldkuvert grob auf, zählte nach und dankte ihr erst dann. Er führte die amerikanische Olympiamannschaft nach Kuba, wo er am ersten Brett spielte und die Silbermedaille gewann. Zu Fidel Castro war er freundlicher: Er schenkte ihm ein signiertes Exemplar seines Buchs Bobby Fischer lehrt Schach . Das Interzonenturnier 1967 in Tunesien verließ er Knall auf Fall, als der Veranstalter sich weigerte, auf seine Terminwünsche einzugehen. Dabei lag Bobby fast uneinholbar in Führung. Als ein Journalist ihn im Hotel aufsuchte, weigerte sich Bobby, die Tür zu öffnen. »Lassen Sie mich in Ruhe!«, brüllte er. »Ich habe nichts zu sagen.« Ihm war bewusst, dass er sich durch den Eklat die Chance raubte, um die Weltmeisterschaft zu spielen. Aber er blieb stur: Er , nicht die Turnierleitung, entschied, wann er spielte und wann nicht.
Seinen bedeutendsten Erfolg des Jahres 1969 erlebte Fischer auf dem Buchmarkt: Seine lange angekündigte Partiensammlung, Meine 60 denkwürdigen Partien erschien bei Simon & Schuster. Das Buch machte in der Schachöffentlichkeit Furore. Zehn Jahre zuvor hatte man das dünne Bändchen Bobby Fischer’s Games of Chess als interessanten Einblick in das Hirn eines Teenagers zur Kenntnis genommen, aber die Kürze der Anmerkungen kritisiert. Sein zweites Buch, das leider auch sein letztes ernsthaftes Werk über Schach bleiben sollte, war weniger lakonisch. Mit ihm gelang ihm eines der präzisesten und köstlichsten Schachbücher aller Zeiten; es steht auf einer Stufe mit den Werken Tarraschs, Aljechins und Retis. Fischer geizte, wie sein Vorgänger Morphy, das amerikanische Wunderkind des 19. Jahrhunderts, mit Veröffentlichungen. Deshalb erwartete die Öffentlichkeit ungeduldig jedes seiner geschriebenen Worte. In seinem Buch von 1969 ließ er die »Partie des Jahrhunderts« von 1956 gegen Donald Byrne weg, beschrieb aber neun Remis und drei Niederlagen – eine Demutsgeste, wie sie in den Annalen der Großmeister-Literatur bis dahin unbekannt war. Fischer widmete dem Remis gegen Botwinnik in Warna 14 Seiten erschöpfender Analyse.
Ursprünglich wollte Bobby das Buch My Life in Chess nennen (Mein Leben in Schach), doch er überlegte es sich anders. Vielleicht wollte er sich den Titel für eine spätere Autobiografie aufheben. Zunächst sollte das Buch lediglich 52 Partien enthalten, doch während er noch am Manuskript feilte, nahm er an weiteren Veranstaltungen teil und beschloss schließlich, acht weitere Partien hinzuzunehmen. Es dauerte mehr als drei Jahre, bis das Buch fertig war.
Das Buch bereitete den Verantwortlichen bei Simon & Schuster viele schlaflose Nächte. Über Jahre hinweg verlangte Fischer immer neue Korrekturen. Das Ganze schien gar kein Ende mehr zu nehmen. Da strich Fischer urplötzlich alle Anmerkungen, schickte das Manuskript an den Verlag und bat um Auflösung des Vertrags. Vielleicht fürchtete er, seinen Konkurrenten all seine Ideen zu verraten. Der Verlag einigte sich daraufhin finanziell mit Fischer und begrub den Plan. Doch zwei Jahre später entschied Fischer sich erneut um. Larry Evans zufolge, der die Einführung in die Partien schrieb, hatte er einen ganz prosaischen Grund: »Bobby verzweifelte an der Welt und glaubte, ein Atomkrieg stehe unmittelbar bevor. Warum sollte er da nicht noch schnell ein bisschen Geld verdienen und sich damit ein schönes Leben machen, bevor alles endete?«
Meine 60 denkwürdigen Partien war ein Riesenerfolg, vom ersten Tag an. Mit dem Buch bewies Bobby, dass er nicht nur ein brillanter Spieler, sondern auch ein grandioser Analyst war.
Ende 1968 zog Bobby sich aus dem Wettkampfbetrieb zurück. Von einer einzigen – hoch gepriesenen – Partie abgesehen, die er 1969 im Rahmen der New York Metropolitan League spielte, nahm er 18 Monate strikte Wettkampfpause. Die Schachwelt war konsterniert. Und neugierig. Doch Bobby erklärte sich nie. Einem Interviewer erzählte er, er habe wegen eines (nicht näher erklärten) »Hängers« nicht spielen wollen. Ein anderer erfuhr, Bobby habe Wettkämpfe gemieden, »um meine Rachepläne zu schmieden. Ich wollte zurückkommen und all diese Leute auf ihren Platz verweisen.« Doch für einen Comebackversuch mussten der Ort, das Preisgeld und das Teilnehmerfeld stimmen. Und so lehnte er ein Angebot nach dem anderen ab.
Dann machte er, ganz überraschend, eine Ausnahme: Für das Match »UdSSR gegen den Rest der Welt« sagte er zu. Am 26. März 1970 flog Bobby
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